Die Hexe und der Herzog
immer so eine Sache«, erwiderte van Halen. »Das weißt du ja aus eigener Erfahrung, Lena. Aber ich hab ihn zur Sicherheit auf den Knoten in einem frischen Grashalm beißen lassen – und das hat er zustande gebracht. Sieht also nicht ganz so wild aus. Eine Weile halbwegs ruhig halten sollte er sich trotzdem. So schwer das diesem Heißsporn auch fallen mag.«
Niklas spürte etwas Kühles an der Schläfe, das augenblicklich Linderung brachte.
»Mehr!«, flüsterte er. »Lena, ich …«
»Ach, reden kann er auch schon wieder!«, sagte der Medicus mit leisem Spott. »Die Wirkung meines Schlafschwamms scheint also langsam zu versiegen. Den musste ich ihm nämlich verabreichen, um ein Haarseil zu legen, damit zunächst Schmutz und Blut abflossen und ich die Wunde anschließend mit einem Katzendarm nähen konnte. Darauf kam dann meine Spezialtinktur aus Eiklar, Weihrauch und Harz, um alles schön zusammenzuziehen, sowie ein fest gewickelter Verband.«
Niklas grummelte Unverständliches.
»Keinerlei Widerrede! Sonst verwende ich das nächste Mal auch noch Drachenblut und Hammelfett, wie alte Rezepte es vorschlagen. Ihr werdet also auch künftig in der Lage sein, Herr Spielmann, Eure dunklen Brauen vielsagend hochzuziehen und reihenweise Frauenherzen zu brechen.«
»Und Merwais?«, fragte Lena. »Was ist mit ihm?«
Wieso klang Lenas Stimme ausgerechnet bei diesem Namen so bang?
»Eine Schramme an der Lippe. Mehr hat er wohl nicht abbekommen. Die stört später nicht einmal beim Küssen.« Ächzend erhob sich van Halen. »Lass den Spielmann ein wenig schlafen. Das bekommt ihm jetzt sicherlich am allerbesten.«
»Nein!« Niklas versuchte sich aufzurichten, sank aber sehr schnell wieder taumelig auf das Lager zurück. Trotzdem war es ihm gelungen, dabei nach Lenas Arm zu greifen und ihn zu umklammern. »Geh noch nicht!«
»Was willst du?«, sagte Lena, als van Halen gegangen war. »Du sollst dich doch ausruhen!«
»Mit dir reden«, stieß er hervor. »Bitte!«
»Jetzt? Dazu war lang genug Zeit.«
»Ich konnte nicht … Du hast alles ganz falsch verstanden … Ich wollte doch nur …«
Sie machte sich ungeduldig los.
» Du hast alles falsch verstanden«, sagte sie. »Ich bin keine, die sich bei der erstbesten Gelegenheit besteigen lässt, das solltest du dir künftig merken, Niklas! Als deine kleine Hure bin ich mir zu schade.«
Trotz des wilden Dröhnens in seinem Schädel geriet er in Wut. »Davon hab ich aber nicht gerade viel gemerkt«, sagte er bitter. »Wie fest du dich an mich gepresst und wie du mich überall berührt hast …«
»Weil ich geglaubt habe, dich gern zu haben. Sehr gern sogar!«
»Und das glaubst du jetzt nicht mehr?« Sein Kopf brummte, als wolle er im nächsten Augenblick zerspringen. »Hat dir das etwa dieser verdammte Jurist eingetrichtert? Du solltest besser nicht auf solche Idioten wie ihn hören, Lena!«
»Lass Merwais aus dem Spiel!« Lenas Augen blitzten, das fiel Niklas auf, auch wenn er sich anstrengen musste, nicht alles doppelt zu sehen. »Ich brauche niemanden, der mir Dinge einsagt. Ich kann selbst denken. Und deshalb weiß ich jetzt auch, dass aus uns beiden niemals etwas werden kann.«
Ihre Worte hallten noch in ihm nach, als er wieder allein war, ein lautes, widerwärtiges Echo, als würde mit einem dicken Eisenstück unbarmherzig auf Erz geschlagen. Was bildete sich diese Lena ein, derart hochfahrend mit ihm umzuspringen! Wenn er erst einmal anfing zu reden, konnte es sehr schwierig für sie werden.
Aber sollte er wirklich so weit gehen? Gab es nicht andere, weitaus wirkungsvollere Methoden, um sie zur Umkehr und zum Einlenken zu bewegen?
Und während Niklas noch versuchte, eine halbwegs erträgliche Position auf dem brettharten Lager zu finden, damit dieser Ton in seinem Inneren endlich zum Schweigen kam, stieg ein Gedanke in ihm auf, so dreist und unverschämt, und dass er trotz seiner Schmerzen den Mund unwillkürlich zu einem schiefen Grinsen verziehen musste.
Eine Kutsche blockierte den Eingang zur Kramergasse, als Els und Ennli die Einkäufe vom Wochenmarkt heimschleppten, ein stattliches Gefährt, versehen mit einem aufgemalten Wappen, das Els noch nie gesehen hatte. Selten genug, dass solche Transporte nicht über ihre Poststation abgewickelt wurden, ein Grund mehr, um neugierig zu werden.
»Geh voraus!«, befahl sie dem Mädchen. »Ich komme gleich hinterher.«
Die Laubengänge boten einen guten Schutz, um unentdeckt stehen zu bleiben, und
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