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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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auf dass er von innen verzehrt werde...« Das für dich, Herzog Sigmund, dachte er, weil du den Anschlag meiner Hexenbulle, die aber endlich in aller Ausführlichkeit die Pforten von St. Jakob schmückt, mutwillig verzögert hast. Dafür bist du jetzt als Strafe für deine Sünden des Fleisches mit Angst und Gift geschlagen.
    »Sie verabreichen Tränke und kennen Beschwörungen, um Hass hervorzurufen ebenso wie verbotene Gier nach abartigen Liebkosungen …«
    Damit bist du gemeint, dachte er, widerwärtige Natter der Nacht, die mich durch ihre Säfte besudelt und beschmutzt hat, nicht nur mein allzu nachgiebiges Fleisch, sondern auch meine unsterbliche Seele – tausendmal büßen sollst du dafür!
    »Diese Zauberinnen müssen alle im Feuer sterben, denn Diebinnen sind sie, Ehebrecherinnen, Mörderinnen …«
    Täuschte er sich, oder wuchs die Unruhe in den Bankreihen von Satz zu Satz? Bislang war er in seine eigenen Worte zu vertieft gewesen, um die andächtig Lauschenden überhaupt richtig wahrzunehmen, nun aber richtete er seinen schneidenden Blick auf die Menschen. Und was er in ihren Gesichtern sah gefiel ihm.
    Ja, da flackerte Angst, da brannten Hass und Neid, da übernahmen Gier und Unzufriedenheit das Regiment! Das war der richtige Boden für seine Worte. Wie satte Samen würden sie alsbald aufgehen und reiche Früchte tragen.
    »Wenn ihr also etwas davon beobachtet oder auch nur argwöhnt, wenn ihr seht, dass euer Nachbar oder Freund derart verworfen handelt, dann seid ihr im Namen von Jesu Blut und der Reinheit der himmlischen Jungfrau verpflichtet, unverzüglich zu mir zu kommen, um mir das anzuzeigen. Wer dennoch weiterhin schweigt und für sich behält, was er ahnt oder gar weiß, der reiht sich ein in die auf ewig verdammte Schar jener Unholden. Und auch für ihn wird der Tag des Zorns des Herrn anbrechen, schrecklicher, als er jemals geglaubt hat …«
    Jetzt hieß es, rasch zum Ende zu gelangen, damit der spezielle Geist dieser Stunde nicht allzu schnell wieder verflog. Ein Anfang war gemacht, ein herrlicher, vielversprechender Anfang, das wusste Kramer, als er die Kanzel verließ und mit festen Schritten zurück zum Altar ging. Es schien ihm, als würde der hölzerne Apostel am Seitenaltar sanft den Kopf neigen, und tiefer, innerer Frieden erfüllte ihn. Der heilige Jakobus hatte sein Leben für den Heiland hingegeben, in dessen Namen tapfere Ritterscharen die Ungläubigen immer weiter zurückgedrängt hatten. Nicht anders sein unablässiger Kampf gegen jenes verderbte Hexenvolk, das sich im Geheimen zusammengerottet hatte, um die rechtschaffenen Gläubigen durch Zauberei zu bekriegen.
    Den Rest der Messe verblieb Kramer in heiterer, gelöster Stimmung. Seine Reise nach Ravensburg hatte ihn trotz aller Rückschläge und Strapazen manch Neues gelehrt. Das Schwören der Urfehde jedenfalls, das einige Frauen dort im letzten Augenblick vor dem Scheiterhaufen bewahrt hatte, würde er hier in Innsbruck mit allen Mitteln zu verhindern wissen. Denn diese Stadt war vom Teufel geradezu geschwängert, das spürte er mit allen Sinnen.
    Doch nun war er ja zurückgekehrt, um sie für alle Zeiten davon zu befreien. Die Ausgangslage hätte idealer nicht sein können. Herzog und Herzogin, schwer angeschlagen durch die Fehlgeburt, würden seinem erbitterten Vorgehen gewiss keinen ernsthaften Widerstand entgegensetzen. Bischof Golser weilte im entfernten Brixen und konnte ihm dieses Mal nicht in die Quere kommen. Der »Schwarze Adler« war sein Hort, wo er wohnen und weiterhin an seiner großen Abhandlung schreiben konnte. Dort brauchte er lediglich abzuwarten, bis die ersten Denunziationen eintrafen. Mit dem Geschwisterpaar Geyer hatte er vereinbart, dass der Hintereingang für diesen Zweck offen gehalten würde. Keiner musste Angst haben, von den Hexenweibern gesehen und weiter verzaubert zu werden, wenn er seiner Christenpflicht nachkam. Außerdem gab es ja bereits seine heimliche Liste, die von Tag zu Tag länger wurde und nur noch weiterer schlagender Beweise harrte. Das schwüle Sommerwetter, das Mensch und Vieh gleichermaßen zusetzte, tat ein Übriges. Niemals wurde eifriger denunziert, als wenn Blitz und Donner die Menschen schreckten, das hatte Erfahrung ihn gelehrt.
    Kramer hob die Hand und zeichnete das Kreuz. Und während seine Lippen die Worte des Schlusssegens sprachen, schien es ihm, als erfülle mit einem Mal der feurige Atem des Heiligen Geistes seinen Körper vom Scheitel bis hinab zu den

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