Die Hexe und der Herzog
Kohle.
»Lena ist nicht dein Eigentum, Elisabetta. Und längst alt genug, um sich zu verehelichen.«
»Bitte geh, Antonio!« Sie wich seinem Blick aus, strich sich über die Stirn. »Ich muss mich um mein Kind kümmern. Der Kleine soll endlich in sein Bett. Bibiana!«
Die alte Frau hatte offenbar nur darauf gewartet, gerufen zu werden, und kam sofort in den Gastraum gelaufen.
»Ich bring ihn nach oben«, sagte sie. »So wie jede Nacht. Und anschließend bin ich dann gleich bei dir, mein armes Mädchen.«
Es lag viele Jahre zurück, dass Wilbeth das Baderhaus betreten hatte, damals, am Hochzeitstag von Berta, der Mutter von Ambros Säcklin. Von der grazilen Braut mit dem schimmernden Blondhaar konnte sie allerdings nicht mehr viel sehen. Stattdessen empfing sie eine aufgeschwemmte Matrone mit dunkler Haube und scharfem Blick, die ein stattlicher Witwenbuckel beugte.
»Gut, dass du gekommen bist«, sagte sie. »Wir wissen nicht mehr ein noch aus.«
»Um der alten Zeiten willen«, sagte Wilbeth. »Damals, als wir gemeinsam die Bethen verehrt haben, zwei junge Weiber, die das Leben noch vor sich …«
»Das ist lange vorbei!«, fiel die alte Baderin ihr hart ins Wort. »Ich bring dich am besten gleich zu Gundis – und ihrem Balg.«
Wilbeth hielt die Luft an, als sie die kleine Kammer betrat. Auf der zerwühlten Bettstatt hockte Gundis, trotz lähmender Schwüle eine dünne Decke bis zur Brust hochgezogen. Ihre rötlichen Locken klebten am Kopf; es stank unerträglich nach Sekreten, halb vergorenen Essensresten und Schweiß. Sie leckte sich die rissigen Lippen, dann drehte sie sich abrupt zur Seite.
Wilbeth fühlte sich so unbehaglich, dass sie nach den richtigen Worten suchen musste.
»Wie lange geht das schon so?«, sagte sie schließlich, an Berta gewandt. »Sie ist ja in einem jämmerlichen Zustand!«
»Gleich nach der Geburt. Die Bleidlerin meinte …«
»Ihr habt die Alte das Kind entbinden lassen? Weshalb in aller Welt habt ihr nicht lieber Barbara gerufen?«
Gundis presste die Hände auf die Ohren und begann zu wimmern. »Sie hat mich vergiftet … und mein unschuldiges Kind mit dazu …«
»Was ist mit dem Kind?« Ein schrecklicher Verdacht stieg in Wilbeth auf.
»Hier.« Berta deutete auf die Wiege. »Da kannst du den kleinen Krüppel sehen, mit dem der Herrgott uns geschlagen hat. Und sag jetzt nicht, dass du ihn nicht gesund machen kannst!« Sie zog das Leinentuch vom Kopf des Kindes.
Es war zart und feingliedrig mit strahlend blauen Augen und einem geschwungenen Näschen, Lippen wie Rosenblätter, wohlgeformten Ohren, einem kleinen, energischen Kinn. Ein wunderschönes Geschöpf – wäre da nicht der viel zu große, eiförmige Schädel gewesen, den rötlicher Flaum bedeckte.
Wilbeth betastete ihn behutsam. Das Kleine hielt ganz ruhig, schien keinerlei Schmerzen dabei zu verspüren.
»Ein Mädchen?«, fragte Wilbeth.
»Ja. Auch das noch.«
»Sie ist schon so geboren worden?«, fragte Wilbeth weiter.
»Allerdings!«, schnaufte Berta. »Nach Wehen, die einen Tag und eine Nacht gedauert haben. Ich hab noch nie zuvor erlebt, dass ein so kräftiges, immer hungriges Weib« – Gundis traf ein angeekelter Blick – »sich derart ungeschickt angestellt hätte. Die Bleidlerin meinte …«
»Sie hat die Kleine abgenabelt und versorgt?«
»Das hat sie. Und gleich danach ein Ave Maria gebetet, denn was mit dem Neugeborenen nicht stimmte, konnten wir ja alle sofort sehen.« Berta nestelte an den Bändern ihrer Haube. »Mein armer Sohn! Seitdem ist er wie von Sinnen. Gundis darf ihm nicht mehr unter die Augen kommen. Verstoßen hat Ambros sie ob ihrer schweren Sünden. Und nichts anderes hat sie ja auch verdient.«
»Was soll das heißen?« Wilbeth fuhr zu ihr herum. »Hier, in diese Kammer, hat er sie eingesperrt, zusammen mit dem Teufelsbalg. Und wenn du den beiden nicht helfen kannst, kann es auch sonst niemand.«
»Du solltest nicht so herzlos daherreden! Die Kleine ist schließlich dein Enkelkind.«
»Mein letzter Enkel heißt Anselm und schläft ein paar Türen weiter.« Das klang abschließend. »Wir hätten diese Gundis niemals ins Haus lassen sollen, das weiß ich heute.«
»Ich brauche heißes Wasser, ein paar Tücher – und Ruhe!«, befahl Wilbeth.
»Du kannst sie heilen?« Ein lauernder Blick aus Bertas blanken Vogelaugen.
»Ich kann Gundis säubern und dafür sorgen, dass es ihr ein wenig besser geht. Aber ich bin, wie du weißt, keine Hebamme, sondern kenne lediglich ein
Weitere Kostenlose Bücher