Die Hexe und der Herzog
rief Chunrat ungeduldig. »Habt ihr es endlich? Diese alte Walsche soll gefälligst wieder aus meiner Küche verschwinden!«
Zorn schoss in Lena hoch, eine heiße, hohe Welle. »Diese alte Walsche heißt Bibiana und ist meine Großmutter«, rief sie zurück. »Und ganz zufällig stammen all jene Rezepte von ihr, von denen Ihre Hoheit gar nicht genug bekommen konnte, als sie noch Spaß am Essen hatte.«
»Gefällt mir, dass du dir nichts gefallen lässt!«, sagte Bibiana lächelnd. »Aber wegen mir sollst du keinen Ärger haben. Komm einen Augenblick mit nach draußen! Es wird nicht lange dauern.«
»Weshalb bist du wirklich hier?«, fragte Lena, als sie mit Bibiana allein war. »Und, bitte, die ganze Wahrheit!«
»Es ist dieser Spielmann«, sagte Bibiana seufzend. »Els kann wegen ihm nicht mehr schlafen.«
»Niklas? Hat er sie etwa auch belästigt …« Es war heraus, noch bevor Lena richtig nachgedacht hatte.
»Dann hat Els also recht.« Bibianas dunkle Augen ruhten auf Lenas Gesicht. »Muss ich jetzt auch noch anfangen, mir Sorgen zu machen?«
»Musst du nicht. Els hat nicht recht und wissen tut sie auch nichts – gar nichts!« Lenas Zopf flog über die Schulter nach vorn. »Aber Misstrauen haben, ja, das kann sie! Niklas ist ganz allein meine Angelegenheit. Das kannst du ihr ausrichten, deiner Els!«
»Zwischen euch beiden ist also nichts geschehen?« Bibianas Stimme war ebenso sanft wie beharrlich. »Und auch ich will die ganze Wahrheit hören.«
»Jedenfalls so gut wie nichts«, sagte Lena errötend. »Er, ein Sohn des Herzogs, und ich, eine Köchin... wir passen nun mal nicht zusammen. Das weiß ich jetzt.«
»Du schwörst es bei den Bethen?«
»Ich …«
Es krachte, als sei von innen ein schwerer Gegenstand gegen die Tür geflogen, dann streckte Vily seinen strubbeligen Kopf aus der Tür.
»Wenn du jetzt nicht wirklich schnell machst, Lena«, sagte er, die Stirn in drollige Sorgenfalten gelegt, »werden wir alle es büßen müssen.«
»Ich komme!« Lena drückte Bibiana einen Kuss auf die runzlige Wange und ging hinein.
Ihre Gedanken aber blieben weiterhin bei Bibiana und Els, auch als sie das Quittenmus und die Mandelcreme fertig abgeschmeckt und in zwei ziselierte Silberschalen für die Herzogin gefüllt hatte. Woher hatten sie überhaupt ihre Hinweise? Irgendjemand musste erst jüngst über sie getratscht haben, jemand, der sich gut auskannte. Doch wer konnte das sein? Tief in Gedanken füllte sie weitere Schalen, denn wie so oft hatte sie zu viel gekocht.
Doch wer die beiden größten bekommen würde, stand bereits fest.
»Lena – Ihre Hoheit wartet! Wenn du weiterhin im Stehen träumst, muss ich mich wohl oder übel nach einer neuen Köchin umschauen«, raunzte Chunrat, doch der Tadel klang für seine Verhältnisse beinahe freundlich.
Hunde, die bellen, beißen nicht, dachte Lena, griff in das letzte von Bibianas mitgebrachten Töpfchen und garnierte ihr zart duftendes Mus mit winzigen kandierten Veilchen. Sie überlegte kurz, dann öffnete sie ein zweites Töpfchen. Jetzt kamen ein paar Rosenblätter auf die Mandelcreme.
»Du kannst van Halen holen«, sagte sie zu Vily. »Zumindest ihm wird es garantiert munden.«
»Aber Ihr müsst essen, Euer Hoheit!« Der Medicus sah die Herzogin besorgt an. »Wenn Ihr so weitermacht, werdet Ihr schon bald knochig sein wie ein Vögelchen!«
»Ihr übertreibt maßlos.« Katharina schob die Schale beiseite. »Außerdem bin ich schon wieder müde.«
»Weil Ihr im Essen nur noch herumpickt. Wo soll denn da die Kraft zum Gesundwerden herkommen? Dabei schmeckt es so köstlich. Eure junge Köchin hat sich solche Mühe gegeben.«
»Ich weiß«, sagte Katharina mit einem Seufzen. »Aber was soll ich machen, wenn der Appetit mich gänzlich verlassen hat?«
»Nur ein paar Bissen, Euer Hoheit, Lena zuliebe!«
»Lasst die Herzogin endlich in Ruhe, van Halen!«, mischte sich die Spiessin ungefragt ein. »Ihr quält sie ja geradezu mit diesen dummen Süßspeisen!«
»Noch bin ich nicht tot«, Katharinas schmäler gewordenes Gesicht fuhr zu ihr herum, »und kann noch immer selbst für mich sprechen.« Sie wandte sich wieder dem Medicus zu. »Also, meinetwegen, weil Ihr es seid!« Sie nahm ein paar Löffelchen Quittenmus, danach probierte sie die Mandelcreme. »Beides ausgezeichnet. Ich könnte kaum sagen, was besser mundet. Und erst diese hübschen Blüten aus Zucker …«
Vergeblich versuchte sie die kleine Hündin abzuwehren, die auf das Ruhebett
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