Die Hexe und der Herzog
stieg ihr in die Nase. Beinahe hätte er sie umgestimmt, doch sie entschloss sich, hart zu bleiben.
»Es ist spät, Antonio. Ich brauche meinen Schlaf.«
Als er wortlos gegangen war, fühlte Els sich elend. Sie wusste, dass er es gut mit ihr und dem Jungen meinte, doch seine Art der Fürsorglichkeit brachte sie manchmal schier zum Ersticken. Jetzt war die Müdigkeit von vorhin mit einem Schlag verflogen. Stattdessen spürte sie, wie die altbekannte Angst sich lähmend und kalt in ihr ausbreitete.
Lena am Hof!
Das Schlimmste, das sie seit Jahren immer wieder befürchtet hatte, war eingetroffen. Doch was konnte sie tun, um das Mädchen davon abzuhalten? Els wusste genau, wie halsstarrig Lena sein konnte, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Sie hörte, wie Bibiana von oben nach Sebi rief: » Piccolo folletto – ins Bett, komm endlich! Die Elfen warten schon auf dich!«
Die Einzige, auf die der Kleine manchmal hörte, und auch darauf war kein Verlass. Er schloss seine Holzkiste, stand auf und stapfte mit ihr unter dem Arm die Treppe hinauf.
Mit geballten Fäusten schaute Els ihm nach, obwohl sie wusste, dass er sich nicht nach ihr umdrehen würde.
Kaum war er verschwunden, presste sie die Stirn mit dem ganzen Gewicht ihres Körpers gegen die Wand, bis der Druck unerträglich wurde. Dann, ganz plötzlich, hob sie die Fäuste und schlug gegen das Mauerwerk, wieder und immer wieder, als versuche sie, auf diese Weise das Rad der Zeit mit aller Macht zurückdrehen.
Als sie noch seine Buhlschaft gewesen war, hatte Alma von Spiess sich all die Gewohnheiten des Herzogs fest eingeprägt, ein Umstand, der ihr noch immer zugute kam. So wusste sie, dass Sigmund an der abendlichen Tafel im Kreis seiner Räte, Ritter und Vertrauten oftmals nur wie ein Spatz von den aufgetragenen Speisen pickte, ihn später aber auf einmal Hunger überfiel und er sich dann aus der Küche ein Tablett mit ausgesuchten Köstlichkeiten bringen ließ, die er in Windeseile vertilgte.
Nur wann es jeweils so weit war, musste sie dem Zufall überlassen, und der schien es heute gar nicht gut mir ihr zu meinen. Es schien eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein, sie drückte sich noch immer im zugigen Flur herum, und nichts war bisher geschehen. Unzählige Male hatte sie ihr Kleid zurechtgerückt, dessen kräftiges Grün ihr mausbraunes Haar glänzender machen sollte und die Wangen rosiger. Vorn stand es ein ganzes Stück ab, was sie bekümmerte, denn ihre Brüste waren ohnehin winzig. Aber wie sollte sie sich auch mit Freuden mästen können, solange der Herzog sie übersah?
Sie tastete nach dem Fläschchen, das sie in der eigens eingenähten Rocktasche versteckt hielt. Wenn die weißhaarige Hexe aus der Silbergasse nicht gelogen hatte, musste seine Wirkung beeindruckend sein. Natürlich wollte die Frau zunächst nicht mit der Wahrheit herausrücken, als Alma sie nach dem Inhalt gefragt hatte. Schließlich aber hatte sie doch zugegeben, dass die Tinktur aus Efeu, Baldrian, Malve, Zypresse und einer winzigen Schierlingsdosis bestand.
»Den Rest sollt Ihr lieber nicht wissen!« Das Lachen der Alten hatte in Almas Ohren teuflisch geklungen. »Sieben Tropfen davon in seinen Abendwein. Und er wird vor Verlangen brennen.«
Alma von Spiess hörte Schritte, drückte sich noch enger an die Wand, bis der Küchenmeister kurz vor ihr angelangt war.
»Ihr erlaubt doch, Meister Matthias?« Sie trat ihm in den Weg. »Ausnahmsweise werde ich heute Seiner Hoheit das nächtliche Mahl persönlich servieren.«
Matthias Rainer sah sie unsicher an. Sie war die Buhlschaft seiner Hoheit gewesen, das war ihm bekannt. Aber war sie es noch immer? Oder vielleicht schon wieder?
»Davon weiß ich nichts«, sagte er und presste das Tablett an seine breite Brust.
»Natürlich nicht.« Sie lächelte. »Wo es doch eine süße Überraschung sein soll! Und jetzt gebt es mir endlich! Oder soll der Herzog vielleicht Hunger leiden?«
Matthias Rainer gehorchte, noch immer zögernd.
»Es hat alles seine Ordnung«, rief Alma halb über die Schulter. »Vertraut mir! Seine Hoheit wird hocherfreut sein.«
Sie wartete, bis die Schritte des Küchenmeisters verklungen waren. Dann stellte sie das Tablett auf den Boden. Dünne Scheiben von kross gebratenem Gämsenfleisch. Schlegel vom Kapaun. Kandierte Früchte. Dazu ein weißer, leicht öliger Wein, wahrscheinlich aus Venetien. Sigmund hatte seine Vorlieben nicht geändert, was das Essen betraf. Jetzt würde sie dafür
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