Die Hexe und der Herzog
Bibel«, rief er. »Aber sie konnten noch nicht wissen, was sich dieser Tage hier alles an Scheußlichkeiten vollziehen würde. Überall im Land rotten sich diese verderbten Weiber zusammen, bringen Schaden über Mensch und Vieh, verderben die Früchte des Feldes, ja, sie schrecken nicht einmal vor dem Töten jungen Lebens zurück. Das sind Fakten, Eure Exzellenz, keine Hirngespinste! Doch ich habe ihnen den Kampf angesagt, mit allem, was mir zu Gebote steht. Und ich werde diesen Kampf gewinnen!«
»Eure diversen Aktivitäten sind mir durchaus bekannt. Am Bodensee habt Ihr viele Frauen ins Feuer geschickt …«
»Achtundvierzig, um genau zu sein.« Es klang, als sei er stolz auf diese Leistung. »Und jede einzelne von ihnen hatte den Tod vielfach verdient. Aber sie sind überall, jene Unholden, versteht Ihr? Allzeit bereit, uns allen mit ihren schändlichen Verbrechen zu schaden.«
Bischof Golser griff zu dem Becher mit Brennnesseltee, den er nur trank, wenn die Gicht ihn besonders plagte. Ein vorsichtiger Schluck. Am liebsten hätte er sich wie ein nasser Hund geschüttelt, und das nicht nur, weil das Gebräu so widerlich schmeckte.
»Zu meinem Bedauern weiß ich nicht viel über die Menschen, die dort leben«, sagte er. »Meine Tiroler aber kenne ich. Ein ganz besonderer Menschenschlag, fromm und ehrlich, aber auch eigen und sturköpfig. Falls Ihr vorhabt, länger hier zu bleiben, solltet Ihr Euch mit ihren Sitten und Gewohnheiten ein wenig vertraut machen, damit Ihr sie besser verstehen lernt.«
»Tiroler? Hier geht es um Seelen, Exzellenz! Ich bin ein eiserner Krieger des Herrn und reite gegen all diese Teufelinnen ins Feld, ganz egal, ob in meiner Heimat, dem Elsass, ob am Bodensee oder mitten in den Alpen. Ich jage sie, verhöre sie, verurteile sie. Das und nichts anderes ist meine Mission.«
Der Bischof sah ihn lange schweigend an.
»Der Herr sei mit Euch, Pater Heinrich«, sagte er dann. »In Ewigkeit. Amen.«
Der Tag schien kein Ende nehmen zu wollen, und Lenas Finger waren vom ununterbrochenen Spülen so rot und geschwollen, dass es ihr schwerfiel, einigermaßen geschickt mit den Töpfen zu hantieren, die viel größer waren als die daheim in Bibianas Küche. Doch sie biss die Zähne zusammen. Diesem Kassian, der sich hier als großer Koch aufspielte, obwohl er Zwiebeln kaum von Äpfeln unterscheiden konnte, würde sie es schon zeigen!
Feixend hatte er sie sozusagen ins eiskalte Wasser geschmissen.
»Der Hofmeister hat gesagt, du weißt über alles Bescheid. Dann kannst du ja heute das Nachtmahl für uns zubereiten. Sauerkraut und gesottene Bratwürste.« Er war schon halb im Gehen. »Für circa achtzig Köpfe.«
Zum Glück gab es Vily, den Küchenjungen, der nicht wie die anderen ein dummes Gesicht machte und hinter ihrem Rücken Unflätiges murmelte, sondern einfach mit anpackte und Lenas unzählige Fragen beantwortete, so gut er konnte.
Mit ihm zusammen hatte sie eimerweise Kraut aus dem Keller nach oben geschleppt, über dessen Qualität sie freilich die Nase rümpfen musste.
»Bei uns im ›Goldenen Engel‹ duftet es fein säuerlich, und so muss es auch sein. Dieses hier aber riecht richtig modrig. Da werden wir eine ganze Menge tun müssen, um es genießbar zu machen. Also, worauf wartest du noch?«
Vily musste Weinessig und Zucker herbeischaffen, dann verlangte sie nach gekochtem und geräuchertem Speck.
»Das hat Kassian nie dazugetan«, kommentierte er, nachdem er das Gewünschte herangeschleppt hatte.
»Wie soll das Kraut sonst saftig werden, kannst du mir das mal verraten? Weißwein brauchen wir auch noch. Ein ordentlicher Schuss wird es frischer und duftiger machen.«
Andächtig sah er ihr dabei zu, wie sie den Sud für die Bratwürste zubereitete, die vom Vortag stammten, an dem frisch geschlachtet worden war.
»Ein Ave Maria lang muss er nun aufkochen«, sagte Lena. »Das ist ganz leicht zu merken.«
»Das waren Wasser und Essig, ein Schuss Öl, Salz, Pfeffer, Lorbeerblätter, Nelken und Wacholder. So viele Gewürze auf einmal! Willst du uns vielleicht vergiften?«
Lena lachte. »Du wirst dir den Wanst nicht voll genug damit schlagen können«, sagte sie. »Warte nur! Die Würste müssen jetzt drei Ave Maria lang ziehen, sagt meine liebe Bibiana – dann ist alles fertig.«
Die ersten Esser hatten bereits an den langen Tischen in der Gesindeküche Platz genommen. Andächtiges Schweigen, das sich über die Runde senkte, verriet, wie gut Lenas Rezept ankam. Immer
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