Die Hexe und der Herzog
geliebten Guldiner.
Normalerweise hätten Zeilen wie diese Merwais zutiefst beunruhigt, zeugten sie doch davon, dass all seine listigen Pläne letztlich ins Leere gelaufen waren. Die unweigerlichen Folgen lagen klar auf der Hand. Würde der Herzog geneigt sein, einen Juristen in seinen Diensten zu behalten, dem es nicht gelungen war, ihn aus der drohenden Schlinge zu befreien?
Johannes Merwais kannte seinen fürstlichen Herren gut genug, um sich die Antwort darauf selbst zu geben. Früher oder später würde er sein Bündel also schnüren und Innsbruck verlassen müssen, so viel stand fest. Hoffentlich blieb noch Zeit genug, um sich mit allen Kräften um Lenas Rettung zu kümmern. Denn die Rastlosigkeit, die heute in ihm wütete, entsprang genau dieser Ursache – der tiefen Sorge um ihr Leben und das ihrer kleinen Familie, vor der alles andere nebensächlich geworden war.
Wo aber steckte Antonio de Caballis, den Els so dringend ins Loch bestellt hatte? Wieso war er nicht längst, wie vereinbart, bei ihm erschienen, um ihm mitzuteilen, was sie zu sagen gehabt hatte? Jedes Detail, auch die allerwinzigste Kleinigkeit, konnte wichtig sein, das hatte er ihm eingeschärft. Natürlich lief in einem Inquisitionsverfahren alles auf ein Geständnis und damit unweigerlich auf die Höchststrafe hinaus. Und doch hatte es durchaus schon Fälle gegeben, in denen die Beschuldigten freigesprochen werden mussten – sofern sie die Folter überlebt hatten.
Der Gedanke, dass dieser Leidensweg mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nun auch seiner Liebsten bevorstand, ließ Johannes innerlich rasen. Lena war tapfer und willensstark, das wusste er, aber würde das ausreichen, um den gezielten Grausamkeiten einer peinlichen Fragstatt zu widerstehen? Von aller Welt abgeschottet in diesem feuchten, muffigen Verlies, umgeben von lauter verzweifelten Frauen, die ein nicht minder düsteres Schicksal erwartete – wer würde da nicht schwach und mutlos werden?
Er schrak zusammen, als die Tür zum Kontor aufging. Der Münzintendant stand vor ihm, in Haltung und Aussehen derart verändert, dass Johannes zunächst glaubte, einen fremden Mann vor sich zu haben.
»Ich werde ihn töten!«, rief de Caballis. Sein Haar war zerzaust, das Wams aus grünem Leinen fleckig. Eine steile Falte stand wie eingekerbt zwischen seinen schwarzen Brauen, die ihn düster und gefährlich wirken ließ. »An die Gurgel geh ich ihm für das, was er meiner Liebsten angetan hat!«
Klamme Angst kroch in Johannes empor. Bedeutete das, dass sie mit den Folterungen vorschnell begonnen hatten und es dabei Els Hufeysen schon getroffen hatte?
»Beruhigt Euch!«, sagte er. »Setzt Euch erst einmal und dann berichtet!«
»Den Teufel werd ich tun!« Antonio de Caballis blieb vibrierend vor Zorn stehen. »Und seine verdammten Guldiner schmeiß ich ihm auch vor die Füße. Soll er seine Münze zu Hall ab jetzt gefälligst ohne mich betreiben! Keinen einzigen Tag verschwende ich meine Kraft weiterhin an ein Ungeheuer in Menschengestalt, das zu so etwas fähig ist.«
Er sprach vom Herzog. Doch was genau meinte er damit?
»So kann ich Euch nicht helfen«, sagte Merwais entschlossen. »Ich brauche Fakten, wenn ich agieren soll. Das ist nun mal mein Beruf.«
»Fakten?« De Caballis’ Augen waren rot gerändert, und er hatte eine ordentliche Fahne, das roch Johannes, als der andere die Hände auf den Tisch stützte und sich ihm aggressiv entgegenbeugte. »Die sollt Ihr haben! Lena ist die Tochter des Herzogs, ja, da staunt Ihr, Doktor Merwais, nicht wahr? Denn damit reiht sie sich ein in die Riesenschar seiner Kegel, wenngleich es in ihrem Fall äußerst hässliche Umstände waren, die dazu geführt haben. Denn er hat meine Els gewaltsam gezwungen, damals, als sie kaum …« Unfähig, weiterzureden, wandte er sich rasch ab und bedeckte seine Augen mit der Hand.
Im ersten Augenblick war Johannes Merwais sicher, ihn falsch verstanden zu haben. Dann jedoch gruben sich die unglaublichen Worte tief und immer tiefer in seinen Kopf.
»Aber das hieße ja, dass Els Hufeysen gar nicht Lenas Tante ist«, brachte er schließlich hervor. »Und der kleine Sebi …«
»Ihr Bruder – jetzt habt auch Ihr es kapiert.« Der Münzintendant, noch immer wutentbrannt, hatte sich wieder ihm zugewandt. »Die ganze Nacht hab ich versucht, es zu begreifen, und doch ist es mir nicht gelungen. Er, der alle haben kann, musste sich ausgerechnet an ihr vergreifen! Meine bella mora aber hat es über all die
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