Die Hexe und der Herzog
Jahre für sich behalten, aus Scham und wohl auch aus Anständigkeit – was ihr nun zum Verhängnis geworden ist. Auf der Stelle geh ich zum Herzog und werde …«
»Nichts werdet Ihr!« Der junge Jurist klang plötzlich streng. »In Eurer aufgelösten Verfassung würdet Ihr alles nur noch schlimmer machen. Er ist der Souverän, kann tun und lassen, was ihm beliebt – vergesst das nicht!«
»Das mögt vielleicht Ihr so sehen, die Ihr Euch unter seiner Knute fühlt!«, bellte de Caballis. »Ich aber bin ein freier Mann, der gehen kann, wohin immer er will!«
»Wollt Ihr, dass die Frauen freikommen – oder nicht?«
Ein zaghaftes Nicken.
»Dann zügelt Euren Zorn, so berechtigt er auch sein mag, und lasst lieber mich mit Seiner Hoheit reden. Im Gegensatz zu Euch werde ich ruhig bleiben und ich würde versuchen, den Herzog zur Einsicht zu bringen, was durchaus günstige Auswirkungen auf den anstehenden Prozess haben könnte.«
»Würde! Könnte!«, jaulte Antonio de Caballis auf. »Er muss sie freilassen, auf der Stelle. Das ist das Mindeste, was er ihnen schuldig ist!«
»Genau das aber kann er nicht«, erwiderte Johannes ruhig. »Denn nicht der Herzog führt den Prozess, sondern Kramer als vom Papst bestellter Inquisitor. Wie glaubt Ihr, würde dieser Mann aus Eis und Eisen reagieren, wenn Sigmund sich unbefugt in seine Belange einzumischen versucht – selbst wenn er der Herzog ist?«
»Es den Angeklagten nur noch schwerer machen?« Langsam schien der Münzintendant wieder zur Besinnung zu kommen.
»Ich hätte es besser nicht ausdrücken können«, sagte Johannes. »Daher müssen wir besonnen vorgehen, listig wie die Füchse, klug wie die Schlangen, wenn wir am Ende gewinnen wollen.«
»Aber wie wollt Ihr …« Der Münzintendant sackte zusammen. »Meine Elisabetta – sie darf nicht sterben! Und Lena und Bibiana ebenso wenig.«
»Ich werde den Herzog ersuchen, mich als offiziellen Verteidiger für den Prozess zu bestellen«, sagte Merwais. »Und dann rücken wir ihm auf den Pelz – dem Herrn Inquisitor und seinen haltlosen Beschuldigungen!«
»Ich muss dir etwas sagen, Lena.«
Hella schob sich im Halbdunkel so nah an die Freundin heran, wie die Eisenkugeln der beiden es erlaubten. Durch eine winzige Luke fiel schwaches Licht in das Verließ. Jetzt sah man, dass in die Wände alles Mögliche eingeritzt war, als hätten die Verzweifelten ihre letzten Stunden benutzt, um sich hier zu verewigen. Obszöne Zeichnungen waren ebenso vorhanden wie winzige Kreuze, die durchgestrichen waren, als hätte jemand rückwärts gezählt. Wenn man sich sehr streckte, konnte man weiter oben ertasten, dass sogar einige Steine gelockert waren. Der Versuch, eine Verbindung zur Nachbarzelle herzustellen, der vorzeitig entdeckt und daher wieder aufgegeben worden war?
»Etwas, was mich schon länger bedrückt«, fuhr Hella mit belegter Stimme fort. »Du sollst es wissen, auch wenn du mich deswegen hassen wirst. Aber ich kann und will nicht mit dieser Lüge sterben.«
»Was redest du da?«, entgegnete Lena leise und erleichtert, dass Els endlich in einen erschöpften Schlaf gefallen war. Els schien die Unbilden der Haft sehr viel schlechter zu verkraften als die anderen, die stundenlangen Verhöre, das schimmelige Brot, das brackige Wasser, das fehlende Licht. Nach dem überraschenden Besuch Antonios war es, als habe sie mit einem Mal all ihre Kraft verloren. Zu einem kranken, schwachen Bündel war sie geworden und konnte kaum noch etwas bei sich behalten. »Niemand stirbt. Johannes hat geschworen, uns alle hier herauszuholen. Und ich vertraue ihm.«
»Aber wie will er das anstellen? Ich, eine Mörderin? Und du, eine Giftmischerin?«, fragte Hella. »Und erst all das Widerliche, was man den anderen angehängt hat! Frauen sind schon wegen sehr viel weniger ins Feuer geschickt worden, das weiß ich. Frauen wie ich, die ihrem Mann nicht die Treue gehalten haben.«
»Dass du ihn mit diesem Hofschranzen betrogen hast, hab ich ohnehin niemals verstanden. Doch jetzt, wo der Hofmeister tot ist, hab ich sogar begonnen, ihn ein wenig zu mögen.«
»Ich rede nicht vom toten Leopold. Da war noch ein anderer, einer, den du sehr gut kennst.«
Ein seltsam wundes Gefühl machte sich bei diesen Worten in Lena breit. »Doch nicht etwa Johannes?« Ihre Stimme war nur noch ein Wispern. »Ich dachte immer, ihr beide kennt euch kaum.«
»Nein, nicht Johannes.« Hella musste schlucken. »Niklas. Der fesche Spielmann.«
Es war wie ein
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