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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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es zu spät geworden war, um noch nach Hause zu gehen. Ich wachte auf und wollte mich gerade zum Ballsaal schleichen, weil ich glaubte, von dort noch leise Musik zu hören, da traf ich auf ihn. Er packte mich, schob mich in eine Kammer, küsste und streichelte mich, ging mir an die Röcke. ›Kleine Jungfrau‹, hat er dabei gekeucht. ›Oh gütiger Gott, vergib mir, wie sehr ich diese kleinen Jungfrauen liebe!‹ Zuerst war ich noch halbwegs geschmeichelt, er, der mächtige Herzog, und ich, die kleine unscheinbare Magd. Dann aber bekam ich immer mehr Angst, weil er nicht von mir ablassen wollte, und begann zu schreien. Er hat mir den Mund zugehalten und zielstrebig vollendet, was er begonnen hatte. Danach ließ er mich einfach liegen.«
    Els begann zu zittern. Es schien sie unendlich anzustrengen, weiterzureden.
    »Ich hab es keinem Menschen erzählt, nicht unserer strengen Mutter, die schon damals nicht mehr ganz gesund war, und auch nicht dem Vater, der knapp zwei Monate später mit einem Floß im Inn ertrunken ist. Johanna hat es mir schließlich angesehen, ich hatte zugenommen, und sie hat mir auf den Kopf zugesagt, dass ich schwanger sein muss. Da war sie bereits Georg Schätzlin versprochen.«
    Tränen liefen über Els’ Gesicht, und auch Lena und Hella weinten.
    »Gemeinsam machten sie einen Plan, der meinen Ruf retten sollte. Bestellten das Aufgebot, heirateten in aller Stille und ließen überall in der Stadt durchsickern, dass es schon ein wenig eilig gewesen sei. Johanna ging mit mir auf eine Alm, den ganzen Sommer lang, wo niemand uns kannte. Im Heustadel, kurz vor dem Abtrieb im Herbst, hab ich dich dann mit Johannas Hilfe zur Welt gebracht, Lena, genau zwei Tage vor meinem dreizehnten Geburtstag. Die ganze Nacht hab ich dich im Arm gehalten, dich gestreichelt und gestillt und dir dabei die Sterne vom Himmel versprochen. Am anderen Morgen musste ich mir die Brust abbinden, damit die Milch versiegt, und Johanna hat dich übernommen. Von nun an warst du ihr Kind – und ich nur noch deine blutjunge Tante.«
    »Du … meine Mutter? Und der Herzog … mein Vater?«, flüsterte Lena ungläubig. »Und dabei dachte ich immer, dass Sebi …« Sie lachte bitter. »Weißt du, dass ich nur an den Hof gegangen bin, um genau das herauszufinden? Ich hab immer gespürt, dass da ein Geheimnis war. Dabei hättest du es mir ganz einfach sagen können!«
    »Sebi?«, rief Els. »Nein, mein Mädchen, den hat der liebe, tapfere Laurin gezeugt, der Einzige, der außer Johanna, Georg und Bibiana die Wahrheit kannte. Ich hab ihm dieses Elfenkind geschenkt, weil er mich trotz allem lieben konnte, auch wenn er sterben musste, bevor er seinen Sohn sehen konnte. Selbst an seinem Tod fühle ich mich nicht ganz unschuldig. Hätte Laurin nicht ständig das Gefühl gehabt, dass an mir etwas wiedergutgemacht werden muss, er hätte vielleicht nicht mit Zähnen und Klauen um die Poststation gekämpft, hätte von seinem Konkurrenten kein Messer in den Bauch gerammt bekommen und könnte heute noch leben.«
    Lena schien ganz in Gedanken versunken. »Dann ist Sebi mein kleiner Bruder«, rief sie, »und Niklas mein Halbbruder!« Sie schlug sich die Hände vor das Gesicht. »Aber wie hätte ich das ahnen sollen? Ich hab Niklas umarmt und geküsst und …«
    »Und?«, fragte Els bang.
    »… beinahe wäre mehr gewesen.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist vorbei. Schon eine ganze Weile.«
    »Stell dir vor: als Zwölfjährige vom Herzog geschwängert!«, sagte Els. »Vor Scham und Angst bin ich fast gestorben. Wie hätte ich dir das sagen können, Lena! Ich wollte doch, dass du erhobenen Hauptes ins Leben gehst und frei dazu, ohne diese allzu schwere Last. Deshalb hab ich geschwiegen.«
    »Weiß er davon?«, fragte Lena. »Weiß der Herzog, dass er mein Vater ist – und hat uns trotzdem hier einkerkern lassen, dich und mich – und die anderen Frauen? Das werde ich ihm niemals vergeben.«
    »Bisher weiß er es nicht, Lena. Und eigentlich wollte ich es niemals verraten. Doch nun hab ich Antonio eingeweiht. Der wird mit ihm reden. Wir müssen leben, müssen raus hier – wir alle!« Sie faltete die Hände und begann zu murmeln.
    Lena lauschte, dann erkannte sie, was es war. Das ladinische Vaterunser, das ihre Mutter vorhin mit Bibiana gebetet hatte.

     
    Johannes griff zum Becher und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter.
    Seit Stunden brütete er nun schon über den Protokollen der Hexenverhöre, und was er da zu lesen bekam, verursachte

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