Die Hexe und der Herzog
erneut der Trichter in den Mund gepresst und sie abermals mit Wasser abgefüllt wurde. Den Inhalt dreier riesiger Krüge hatte er auf diese Weise schon in diese knochige, schmächtige Frau geschüttet, doch sie hatte sich bislang tapfer gehalten. Daran änderte sich auch nichts, dass man sie gezwungen hatte, sich splitternackt auszuziehen, und dass man ihr mit einer rostigen Schere die Haare abgeschnitten hatte.
Dünne, tief herabhängende Brüste. Ein faltiger Bauch. Magere Schenkel und knochige Beine, von dicken Adern durchzogen – um all diese Schrecklichkeiten erkennen zu können, reichte das diffuse Licht durchaus. Die Spiessin schüttelte sich. Nicht mehr lange, und das unerbittliche Rad der Zeit würde auch mit ihrem Körper gleichermaßen verfahren. Es waren meist die Mageren, das wusste sie, die vorzeitig welk und unansehnlich wurden, bis sie hässlichen alten Ziegen glichen, die nur noch das Gnadenbrot verdienten.
Die Peiniger hatten von der alten Walschen abgelassen. Bibiana spie einen Schwall Wasser aus und riss an ihren Fesseln. »Wenn Ihr mich umbringt, werdet ihr gar nichts erfahren«, rief sie mit erstaunlich kräftiger Stimme. »Bindet mich los, dann will ich …«
»Auf die Streckbank mit ihr!« Institoris schien mehr als ungehalten, das hörte man an seinem scharfen Ton.
»Vielleicht will sie gestehen, Pater«, wagte der Schreiber Fels einen Einwand. »Sollte man da nicht …«
»Wollen jetzt schon die Tintenschmierer das Sagen haben?«, brachte der Inquisitor ihn zum Schweigen. »Los, auf die Bank mit ihr, aber schnell!«
Ein par Augenblicke blieb Bibiana still, weil sie nicht gleich zu verstehen schien, was man mit ihr vorhatte, als sie aber vom Henker und seinem Helfer gepackt und zu dem hölzernen Ungetüm gezerrt wurde, kam wieder Leben in sie. »Nicht auf die Bank!«, schrie sie. »Bitte nicht meine Arme und Beine, die brauche ich doch noch! Wie soll ich jemals wieder kochen, wenn mir die Gelenke krachen?«
»Für die Teufel in der tiefsten Hölle kannst du künftig immer noch den Kochlöffel schwingen!«, rief Kramer. »Ich frage dich noch einmal, Bibiana Brocia: Mithilfe welcher Zauberei hast du das Gift in die Hofburg gebracht?«
»Ich weiß von keinem Gift. Bitte, glaubt mir doch, ich flehe Euch an bei allen Heiligen!«
»Nimm diese Worte gefälligst nicht in dein sündiges Maul!«, bellte der Inquisitor. »Schnallt sie an!«
Er beugte sich tiefer über Bibiana. »Es liegt ganz allein an dir, wie schrecklich der Schmerz sein wird. Er kann schnell und heftig sein – oder eine Ewigkeit dauern. Redest du endlich?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Weil ich doch nichts weiß.«
»Zieht das Handhebelrad an!«, befahl Kramer. »Zum zweiten Grad!«
Aus Bibianas Kehle kam ein gellender Schrei, der nichts Menschliches mehr an sich hatte. »Ich rede!«, schrie sie. »Ich will ja gestehen – alles!«
»Zurück!«, befahl der Pater. »Lockert die Winde! Sie scheint endlich so weit zu sein.«
»Das blaue Fläschchen mit den Goldfäden«, krächzte Bibiana. »Hella hat es mir gegeben in jener Nacht, aber sie hat ihn nicht getötet. Ich wusste doch nicht, wohin damit. Da hab ich es vergraben.«
»Wo hast du es vergaben?«
»In meinem Garten. Unter dem Wermutstrauch.« Ihr Kopf fiel zur Seite. »Dort werdet Ihr es finden.«
Die Spiessin hinter der dicken Wand wagte kaum noch zu atmen. Das war ja besser als alles, was sie jemals zu hoffen gewagt hatte!
Kramer stupste Bibiana grob an. Sie rührte sich nicht mehr.
»Zurück ins Loch mit ihr!«, sagte er. »Für heute hat sie wohl mehr als genug.«
Els konnte nicht mehr aufhören zu weinen, als sie Bibianas reglosen Körper auf das faulige Stroh geworfen hatten. Ihr zerrissenes Gewand schmissen sie hinterher.
»Sie dort oben wie am Spieß schreien zu hören, hat mich beinahe umgebracht.« Els schlug mit den Fäusten gegen das Eisengitter. »Sollen sie doch mich töten – und dafür Bibiana leben lassen! Immer war sie für uns da und muss jetzt so dafür leiden.«
Lena untersuchte die Bewusstlose behutsam und bereitete dann das Kleid über sie. »Ihre Schultern scheinen ausgerenkt zu sein«, sagte sie, »was höllische Schmerzen bereiten muss. Könnte Bibiana nun drüben bei den anderen sein! Rosin wüsste, wie ihr zu helfen ist. Die kennt sich damit aus.«
»Dann fragen wir sie doch.« Hella stand auf und streckte sich, bis ihre Fingerspitzen den obersten lockeren Stein erreichten. Sie wippte ihn einige Male
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