Die Hexe und der Herzog
etwas leiser geworden war. »Und zwar nicht nur innerhalb dieser Mauern, sondern viel besser noch öffentlich, vor denen, die Schuld an diesen grundlosen Verhaftungen tragen. Wir sollten sehr rasch beratschlagen, wie das am besten zu bewerkstelligen ist. Doch dazu, Freunde, lasst uns diesen unschönen Ort so schnell wie möglich verlassen!« Er schnitt eine Grimasse und zog dabei seine Hand quer über den Hals, als würde ihm jemand an die Gurgel gehen wollen. »Mir ist, als müsste ich hier auf der Stelle ersticken.«
»Wohin aber sollen wir gehen?«, rief einer der Männer. »Weißt du das auch?«
»Wohin wohl?« Johannes’ jubelnde Stimme drang bis in den letzten Winkel. »Natürlich in den ›Goldenen Engel‹!«
Vor der anstehenden Verhandlung hatte man ihnen ein paar Eimer Wasser ins Loch gebracht und fadenscheinige, aber zumindest halbwegs saubere Gewänder zugeteilt. Obwohl es eine Wohltat war, sich endlich den gröbsten Dreck vom Körper zu waschen und die verlausten Lumpen loszuwerden, war die Stimmung unter den Frauen äußerst bedrückt.
»Ich bin als Erste dran«, murmelte Hella, die das schäbige Kleid über ihrem Bauch, der trotz der kargen Kost beachtlich an Umfang zugenommen hatte, kaum zubekam. »Jetzt wird dieser Pater wieder auf meinem Lebenswandel herumreiten, damit auch jeder in allen Einzelheiten zu hören bekommt, was für eine Hur ich doch bin – mein armes Kleines, eine feine Mutter hast du dir da ausgesucht!« Sie seufzte. »Und dazu all diese widerlichen Läuse, Flöhe und Wanzen, die einen halb auffressen! Vielleicht wäre ja alles schneller vorbei, wenn ich doch sagen würde, dass ich …«
»Nichts wirst du zugeben, gar nichts, verstanden!«, fiel Lena ihr ins Wort. »Johannes hat gesagt, so und nicht anders sollen wir es halten. Sonst kann er uns nicht helfen.«
»Ich wünschte, ich wäre auch so stark gewesen«, kam es von der Pritsche, auf der Bibiana lag. »Das Wasser hab ich ja noch halbwegs überstanden, aber als sie mir dann auch noch die Arme ausgerenkt haben, bin ich doch schwach geworden und hab das mit dem Fläschchen preisgegeben.«
»Mit welchem Fläschchen?«, fragte Lena.
»Dem Fläschchen, aus dem der Hofmeister seine Medizin getrunken hat, bevor er starb«, mischte Els sich ein. »Wir hatten es in all der Aufregung im Haus des Münzschreibers übersehen, als wir Hella geholfen haben, den Toten loszuwerden.«
»Und weshalb weiß ich nichts davon?«, begehrte Lena auf. »Fängst du schon wieder mit lauter Geheimnissen an, die ich nicht erfahren soll?«
Els packte Lenas Kopf und hielt ihn mit beiden Händen fest.
»Damit du nicht lügen musst, wenn man dich unter die Fragstatt zwingt«, sagte sie. »Aus Liebe, mein Mädchen – verstanden?«
»Außerdem ist es ja offenbar leider verschwunden«, sagte Hella. »In jener Nacht hab ich es Bibiana gegeben, weil ich in meiner Not nicht wusste, wohin damit. Und die hat es später in eurem Garten vergraben. Aber da ist es nicht mehr. Vielleicht hat sie sich ja auch getäuscht …«
»Hab ich nicht«, kam es von der Pritsche. »Wenn man mich nicht gerade martert, hab ich meine Sinne noch gut beisammen. Es war unter dem Wermutstrauch. Dort und nirgendwo sonst hab ich es eigenhändig vergraben. Das weiß ich noch so genau, als sei es erst gestern gewesen.«
Zwei Wachen erschienen vor dem Gitter. Der schwere Schlüssel drehte sich im Schloss.
»Hella Scheuber?« Johannes klang sehr beherrscht. »Ich werde Euch jetzt zum Saal des Rathauses begleiten, wo der Gerichtshof Euch noch einmal in einem offiziellen Verfahren vernehmen wird. Seid Ihr bereit?«
Hella nickte. »Das bin ich«, sagte sie bedrückt.
Lena und Johannes tauschten einen langen, sehnsuchtsvollen Blick.
»Alles wird gut«, hörte sie ihn flüstern. »Du musst nur an mich glauben, mein Herz! Bald schon ist alles vorbei.«
Dann schloss sich die Tür wieder.
»Ich bin noch lange keine vergessliche alte Vettel«, war nach einer Weile Bibiana wieder zu vernehmen. »Was ich gesehen habe, weiß ich. Wie sollte man auch dieses blaue Glas jemals vergessen, mit jenen leuchtenden goldenen Fäden …«
»Was sagst du da?« Alarmiert drehte Lena sich zu ihr um.
»Ein Fläschchen aus leuchtend blauem Glas mit feinen Goldfäden«, wiederholte die Alte verdutzt. »Ich glaube, es muss sehr wertvoll sein.«
»Aber das hat doch Sebi!«, rief Lena. »Bei Sebi hab ich so ein Fläschchen gesehen, wie du es gerade beschrieben hast. In seinem Schätzkästchen –
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