Die Hexe und der Herzog
vernünftiger, aufgeschlossener Mann, mit dem sich reden lässt? Zu zweit können wir gemeinsam gegen diesen Eiferer vorgehen. Klüger also, den Inquisitor aus nächster Nähe zu beobachten und die Löschkübel griffbereit zu halten, damit kein Flächenbrand entsteht, wenn die Flammen hochschlagen.
»So lasst uns denn gemeinsam ziehen«, sagte er. »Und zwar im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. Ego sum via, et veritas, et vita . Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Welch besseren Begleiter könnte es geben, sowohl im Himmel als auch auf Erden?«
Er konnte es kaum abwarten, die Stute in den Stall zu bringen und dann endlich bei ihr zu sein – bei ihr! Der Gedanke, Hella in wenigen Augenblicken zu umarmen, beflügelte ihn, wäre da nicht dieses ständig bohrende Misstrauen gewesen, das Andres Scheuber niemals ablegen konnte.
Mit Martha, seinem ersten Weib, hatte er so etwas wie Eifer sucht gar nicht gekannt. Bei ihr zu liegen, hatte ihm satte, warme Freude bereitet, sie war eine gute Köchin und Hausmutter gewesen und hatte ihm drei Kinder geschenkt, von denen freilich keines älter als fünf Jahre geworden war. Betrauert allerdings hatte er Martha nicht allzu lang. Wenn er nun an ihrem Grab hinter Sankt Jakob stand, was viel zu selten geschah, stieg beinahe so etwas wie Scham in ihm auf, die er freilich jedes Mal rasch unterdrückte. Sie und die Kinder waren seine Familie gewesen, und er hatte sie geliebt, so wie es üblich war, nicht weniger, aber auch nicht viel mehr.
Alles kein Vergleich mit Hella!
Schon ihr Heranwachsen hatte er aus einiger Entfernung mit wachsender Spannung beobachtet und kaum den Tag abwarten können, bis sie endlich alt genug gewesen war, um sie zu freien. Hella unterschied sich von allen Frauen, die er jemals kennengelernt hatte. Es war nicht nur ihr Aussehen, das ihn immer wieder erneut in Entzücken versetzte, ihre Art zu gehen, zu lachen, den Kopf zu wenden. Es waren auch ihre Wärme und Anteilnahme, ihre fröhliche Lebendigkeit und ihre Offenheit gegenüber allen nur denkbaren Spielarten fleischlicher Lust. Wenn er da an seine kreuzbrave Martha dachte – die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte sie und ängstlich ein Ave Maria nach dem anderen gebetet! Hella dagegen kannte keine Scham oder Verlegenheit. Im Liebesakt schenkte sie sich ohne Vorbehalt – und dennoch spürte Andres dahinter ein Geheimnis, das sich ihm bislang umso hartnäckiger entzogen hatte, je gieriger er darauf aus war, es zu ergründen.
Seine Gedanken und Wünsche jedenfalls besetzte sie ohnedies bis in den allerletzten Winkel. Dieses Drängen und Sehnen, das ihn plagte, kaum dass er von ihr getrennt war! Wie eine Krankheit empfand Andres diese Gefühle, als etwas Fremdes, Unbegreifliches, das ihn ohne Vorwarnung überfiel, oftmals schwach und einsam machte. In anderen Momenten jedoch verliehen ausgerechnet diese Gefühle ihm Stärke, Zielstrebigkeit und einen unbeugsamen Willen, alles Eigenschaften, die er früher so nie an sich gekannt hatte.
Für das Pferd hatte sie vorgesorgt, das stellte er mit einem Blick fest. Heu und Stroh waren ausreichend vorhanden, und der Stall war sauber ausgefegt. Wie aber würde Hella den überraschenden Besuch ihres Ehemannes aufnehmen?
Andres nahm die Stufen nach oben wie ein Jüngling in der ersten Liebesglut, er riss die Tür auf und stürmte in die Schlafstube. Sie saß in einem dünnen weißen Unterkleid auf dem Schemel, den er ihr letzten Herbst geschnitzt hatte, eine Bürste in der Hand, mit der sie gedankenverloren durch ihr hüftlanges Haar strich. Bei seinem Anblick weiteten sich ihre Augen, und dem rosigen Mund entfuhr ein überraschter Laut.
Natürlich hätte er sie am liebsten sofort in die Arme geschlossen und an sich gedrückt, aber es war wie immer: Das Misstrauen forderte als Erstes seinen Tribut.
Argwöhnisch glitten seine Augen durch die Stube. Gab es da nichts, was auf die Anwesenheit eines Fremden schließen ließ? Kein vergessener Gegenstand, nicht ein verräterisches Zeichen?
Erst als Andres sich vergewissert hatte, kam Hella selbst, die er nicht minder eingehend musterte, an die Reihe. Waren ihre Wangen nicht auffallend gerötet? Ging der süße Atem, von dem er bald schon trinken würde, nicht schneller als gewöhnlich? Und wieso war der Raum von Kerzen erleuchtet wie zu einem Fest?
Sie ertrug die Inspektion mit einem Lächeln, erhob sich plötzlich und schmiegte sich an ihn.
»Willkommen zu Hause!«, flüsterte sie. »Ich
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