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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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fuhr Rasso Kugler den Dominikaner an. »Schnell! Den Klappstuhl, der dort drüben steht – oder wollt Ihr, dass Seine Exzellenz Euch vor die Füße fällt?«
    Kramer blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen und das Gewünschte herbeizuschaffen. Ächzend ließ der Bischof sich auf den Stuhl sinken, das kranke Bein weit von sich gestreckt.
    »Die Zeit läuft uns davon«, drängte der Inquisitor. »Ich wünschte, Ihr würdet das endlich begreifen. Während wir hier noch untätig reden, vollziehen sich im Geheimen die allerwiderlichsten Dinge …«
    »Ihr zweifelt wohl niemals«, unterbrach ihn der Bischof. »Oder gibt es Nächte, in denen Eure Sicherheit rissig wird?«
    »Wie könnte ich zweifeln, da ich doch bereits weiß, wogegen mein feuriger Kampf sich richtet«, rief Kramer. »Mein ganzes Leben hab ich ihm geweiht – bis zur Stunde meines Todes!«
    Bischof Golser hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Über sich, in der Wölbung des Kreuzgangs, fand er das, was ihm auch in schweren Stunden stets Trost und Hoffnung schenkte.
    »Von ihnen haben viele gezweifelt«, sagte er, mit dem Finger auf das prachtvoll bemalte Gewölbe deutend, das Gestalten aus dem Alten und dem Neuen Testament zeigte: Propheten, Evangelisten und sogar die Apostel des Herrn. »Denn der Zweifel ist nun mal eine der menschlichsten Eigenschaften. Und dennoch waren sie alle einig in der Liebe zu unserem Erlöser, haben seinethalben gelitten, manche von ihnen sogar ihr Leben für ihn hingegeben. Ist folglich nicht Liebe die größte Kraft? Sie allein kann alles lindern, alles verstehen, alles verzeihen. Liebe ist der Quell allen Seins. Denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott . Das sind Johannes’ Worte. Ihr dagegen predigt Hass, Misstrauen, Angst, sprecht nur vom Bösen. Aber sagt Johannes nicht weiter: Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe. Weshalb also, mein Sohn? Was ist die dunkle Kraft, die Euch antreibt?«
    Kramer sah auf einmal ganz grünlich aus.
    »Es ist überall«, sagte er dumpf. »Spürt Ihr es nicht? Könnt Ihr es nicht fühlen? Jenen gefährliche Sog der Hölle, der alles zu verderben sucht. Nur wenn wir ihn bannen mit Feuer und Schwert, werden die verirrten Seelen wieder Ruhe finden. Doch dieser Tag kann erst anbrechen, sobald wir auch die letzte Hexe mit Stumpf und Stiehl vernichtet haben. Zauberer sollst du nicht leben lassen. So und nicht anders steht es im Buch Mose geschrieben. Das ist der Befehl, dem ich mich beuge. Das ist mein Gesetz.«
    Bischof Golser schwieg eine ganze Weile.
    »Ihr werdet nicht damit aufhören«, sagte er dann. »Egal, was immer ich Euch auch entgegenhalte. Ihr fahrt fort in Eurem Treiben, bis Euer Ziel erreicht ist. So ist es doch, oder?«
    Kramer nickte schweigend. Der Blick des Bischofs verlor an Strenge.
    »Dabei seht Ihr elend aus. Dunkle Schatten um die Augen, bleiche Haut, schorfige Lippen. Wenn Ihr anderen gegenüber schon so wenig Barmherzigkeit aufzubringen vermögt, solltet Ihr wenigstens ein Stückchen barmherziger mit Euch selbst umgehen. Eine Kerze, die an zwei Enden gleichzeitig brennt, nützt in der Regel niemandem. Was also ist es, das Euch plagt – ein dauerhaftes Leiden?«
    »Ach, nicht der Rede wert! Kopfgewitter, das mich dann und wann überfällt. Auf dem Höhepunkt schlimm und schmerzhaft bis zur Raserei, das ja. Aber es geht vorbei. Und von meiner Mission wird es mich niemals abhalten.« Seine Zähne knirschten, so fest presste er die Kiefer zusammen. »Wann genau reist Ihr nach Innsbruck, Euer Exzellenz?«
    »Sobald die Gicht es mir erlaubt. Weshalb fragt Ihr, Pater Heinrich?«
    »Weil ich Euch zu begleiten gedenke.«
    »Dort wird eine Fürstenhochzeit gefeiert, kein Totenfest. Bringt mir da in Eurem Übereifer bloß nichts durcheinander! Der Herzog bedarf dringend eines Nachfolgers und zwar bald, denn er ist nicht mehr jung. Darum geht es und um sonst nichts.«
    »Das Fleisch ist schwach, egal, ob Herzog oder Bauer. Doch ihm erliegen muss keiner. Wer Gott uneingeschränkt dient, kann stark und wehrhaft sein.« Der Inquisitor spie seine Worte aus wie einen Schwall fauliger Fische.
    Voller Unbehagen nahm Bischof Golser dieses Bild in sich auf. Er wird Feuer legen, wohin er auch geht, dachte er. Worte gehören nun mal zu den gefährlichsten Waffen. Lasse ich ihn hier unbeaufsichtigt zurück, erkenne ich hinterher womöglich mein schönes Brixen nicht mehr wieder. Und ist Herzog Sigmund nicht ein

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