Die Hexe und der Herzog
unbekümmert unterhalten. Die Konstruktion des Ofens trug die Stimmen so klar zu ihr herauf, als befänden die beiden Sprechenden sich mitten im Zimmer.
»Ich kann nicht verstehen, dass Ihr diesen Mann mit nach Innsbruck geschleppt habt.« Wenn der Herzog aufgebracht war, klangen seine Konsonanten noch kehliger als sonst.
»Was heißt da ›geschleppt‹? Er hat sich mir förmlich aufgedrängt. Was hätte ich dagegen unternehmen sollen? Allein die päpstliche Bulle berechtigt ihn zu seinem Vorgehen und zwingt mich zur Mithilfe. Und ihn während meiner Abwesenheit allein in Brixen zurückzulassen, erschien mir zu gefährlich.« Bischof Golser redete besonnen. »Ich habe auf Eure Vernunft gehofft, Sigmund. Ebenso wie auf unsere Freundschaft. Wir sind nahezu gleich alt und teilen jede Menge Erfahrung, was das Leben und die Menschen angeht. Genau darauf hab ich gezählt.«
»Als hätte es mit den Bischöfen von Brixen nicht schon mehr als genug Ärger gegeben, seit ich über mein Tirol herrsche!«, stieß der Herzog hervor. »Ich hab allmählich genug davon.« »Ich bin kein Nikolaus Cusanus, das wisst Ihr ganz genau. Für den Starrsinn und die Geltungssucht meines Vorgängers könnt Ihr mich nicht verantwortlich machen, das war vor meiner Zeit. Nicht einmal die Folgen lasse ich Euch spüren. Oder habe ich Euch gegenüber jemals ins Feld geführt, welche Ausgaben und Mühen es mich gekostet hat, diese verrottete Diözese wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen? Die Menschen hier brauchen einen verlässlichen Hirten – und keinen Genius!«
Eine Weile blieb es unten still. Alma presste die Lippen zusammen und wagte kaum noch zu atmen. Ihr Rücken begann in der unbequemen Position zu schmerzen, doch für nichts in der Welt hätte sie ihren heimlichen Lauscherposten jetzt aufgegeben.
»Ich werde neue Steuern erheben müssen«, sagte Sigmund schließlich. »Und das schon sehr bald. Denn diese Hochzeit verschlingt weit mehr, als wir vorab kalkuliert haben. Was wiederum die Landstände gegen mich aufbringen wird, denen ich schon meine neuen Pfundner und Guldiner schmackhaft machen muss, damit das Silber weiterhin aus den Minen von Schwaz sprudeln kann. Silber, das freilich nur noch dem Namen nach mir gehört. Mein neuer Jurist Merwais wird zwar versuchen, es vor den gierigen Taschen der Fugger zu bewahren, doch ob das rasch gelingt, weiß bis jetzt der Allmächtige allein. Wenn jetzt auch noch ein fanatischer Inquisitor auftaucht wie dieser Kremer und landauf, landab aufrührerische Reden schwingt …«
»Kramer«, verbesserte der Bischof. »Pater Heinrich Kramer aus dem Elsass. Wenngleich ich gehört habe, dass er sein Eiferertum manchmal auch latinisiert und sich dann Institoris nennt.«
»Das eine ist mir so einerlei wie das andere. Meine Tiroler sollen fromm bleiben und tüchtig arbeiten. Dann bleibt gar keine Zeit mehr, nach Hexentänzen oder Teufelsritten zu schielen und seine Nachbarn zu bespitzeln oder gar hinzuhängen.«
»Eure Meinung teile ich uneingeschränkt.« Bischof Golser klang zufrieden. »Wir wollen keinen Unfrieden unter dem Volk und schon gar keinen Aufruhr. Aus diesem Grund schlage ich Euch auch folgendes Vorgehen vor: Sobald die hohen Gäste Innsbruck verlassen haben, zitiert Ihr diesen Kramer zu Euch in die Hofburg. Er ist übrigens im ›Goldenen Engel‹ abgestiegen, wo er sich offenbar häuslich niedergelassen hat und leicht auszumachen ist. Wenn Ihr wollt, Sigmund, werde ich bei dieser Audienz dabei sein. Gemeinsam werden wir ihm schon deutlich machen können, dass er gefälligst weiterziehen soll. Seine Hexen kann er dann anderswo brennen lassen – nicht in unserem schönen, frommen Tirol.« Er lachte. »Und jetzt lasst uns zur Tafel zurückkehren und weiterfeiern, damit Eure junge Braut sich nicht noch vor brennender Sehnsucht verzehrt!«
Alma schloss leise die Klappe und streckte sich. Sie hatte genug gehört. Alles durchaus spannende Dinge, die sich womöglich einmal bestens weiterverwenden ließen. Für den Moment wusste sie nur noch nicht genau, wozu.
Der Gastraum im »Goldenen Engel« war gut besucht, als habe die Fürstenhochzeit auch viele der einfachen Menschen in Innsbruck aus den Häusern getrieben. Natürlich war Tagesgespräch, was sich heute in und um die Hofburg herum vollzogen hatte, und die Geschichten und Gerüchte, die die Runde machten, wurden im Lauf des Abends immer noch bunter.
Sebi hockte an seinem Platz auf der Ofenbank, hielt den Holzlöffel umklammert,
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