Die Hexe und der Herzog
Platzgründen – wenn sie das schon hörte! Gleich morgen musste alles ganz anders werden. Dann würde sie Sigmund sagen, ihrem Gatten …
Die kurze Euphorie verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Dass dieser seltsame Fremde nun ihr Mann sein sollte, war am schwersten von allem zu verkraften. Zwar schien sein Profil nicht ohne Adel zu sein, und Manieren hatte er auch, aber er war dennoch ein alter Mann, gebückter sogar als ihr Vater. Sie hatte die braunen Flecken auf seinen Händen gesehen und auch die Adern, die bläulich durch die dünne Haut schimmerten. Außerdem hatte er einen Bauch und viel zu dünne Beine anstatt der strammen Reiterschenkel, von denen sie stets geträumt hatte. Mit der gemalten Miniatur jedenfalls, die Ritter von Spiess ihnen in Meißen anlässlich seiner Brautwerbung präsentiert hatte, besaß er kaum Ähnlichkeit. Das musste ein Jugendbildnis gewesen sein, das noch aus der Zeit seiner ersten Ehe mit Leonora von Schottland datierte.
Wenigstens war das Gemach behaglich eingerichtet. Ein prächtiges Feuer flackerte im Kamin, es gab bemalte Truhen, einen Tisch, auf dem ein Pokal und zwei Becher standen, zierlich gedrechselte Stühle, dazu zahlreiche kostbare Silberkandelaber, in denen Kerzen brannten. Das breite Bett mit dem Baldachin und den Vorhängen beiderseits wirkte einladend, die Wäsche duftete. Und mussten nicht alle Frauen, die nicht ledig bleiben wollten, durch diese Hochzeitsnacht, in der gewisse Dinge eben geschahen?
Sie schüttelte den Kopf, dass die weichen Wellen ihrer Haare tanzten, und schlüpfte zwischen die reich bestickten Laken, über die eine Felldecke gebreitet war. Fee verstand sie wie immer wortlos, sprang zu ihr hoch und war nach kurzem Tätscheln wie gewohnt am Fußende unter der Decke verschwunden. Jedenfalls war sie nicht allein. Und gab es nicht auch Leute, die behaupteten, dass die Freuden der Ehe etwas sehr Schönes sein konnten?
Lautes Klopfen. Dann stand er schon im Zimmer.
Sigmund hatte seine Hochzeitskleider abgelegt. Er trug jetzt einen blauen Samtmantel, der ihm bis über die Waden reichte. In der Hand hielt er ein Kästchen, das er auf einem der Stühle abstellte, und noch etwas sehr viel Kleineres, das sie vom Bett aus nicht richtig erkennen konnte.
»Ihr seid schon schläfrig?«, fragte er. »Dabei ist unsere Arbeit doch noch gar nicht getan.«
Was hatte dieser merkwürdige Satz zu bedeuten? Katharina machte sich steif.
»Soll ich noch eine kleine Stärkung kommen lassen?«, fuhr er fort, vielleicht, damit sie sich wieder entspannte. »Ich könnte Wachteln in Speck bringen lassen, Rehschinken oder nach was immer es Euch gelüstet.«
»Ist heute nicht schon mehr als genug getafelt worden?«, erwiderte sie. »Ich jedenfalls verspüre keinerlei Hunger.«
»Auch nicht darauf?« Viel schneller, als sie es ihm jemals zugetraut hätte, lag er plötzlich neben ihr, hob die Hand und berührte ihre Wange. »Wie der junge Frühling«, sagte er. »Und ich, ich bin der reife, reife Herbst. Komm, mach dich nicht so steif! Der Einzige, dem das hier zusteht, bin ich.«
Sie hörte, wie er betrunken kicherte.
Er roch nach Wein und etwas Bitterem, das ihr fremd war. Aus der Nähe konnte sie jede einzelne seiner Falten erkennen; wie ein feines, scharfes Netz hatten sie sich tief in seine Haut gegraben. Ob er bald sterben würde? Dann könnte sie umgehend nach Hause zurück. Katharina erschrak über ihre Gedanken.
»Es war ein langer Tag«, sagte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel. »Wollt Ihr Euch nicht auskleiden?«
»Du willst mich nackt sehen?«, rief er. »Diesen Wunsch werde ich dir gern erfüllen.«
Sigmund rollte sich zur Seite, ging zum Tisch und begann dort zu hantieren. Offenbar schüttete er etwas in die Becher, goss dann Wein dazu und kam zum Bett zurück.
»Trink!«, sagte er. »Das wird dir guttun.«
»Was ist das?« Katharina zog die Nase hoch. »Das riecht ja wie Medizin.«
»Medizin!« Sigmund begann zu lachen. »Das ist gut! Ja, mein kluges Täubchen, du hast ganz recht – Medizin der Liebe. Medicus van Halen war so freundlich …«
Er leerte seinen Becher in einem Zug. Dann kehrte er ihr erneut den Rücken zu.
Was in aller Welt tat er da? Seine mageren Schultern senkten und hoben sich, er schien etwas zu reiben und gab dabei merkwürdige Töne von sich. Als er sich schließlich wieder zu ihr umwandte, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen.
Aus dem aufgeschlagenen Mantel ragte ihr ein dunkelroter Speer entgegen, der direkt
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