Die Hexe und der Herzog
beinahe jeden Monat hat es sie aufs Neue gequält. Nur Ruhe und Dunkelheit helfen dagegen, aber vielleicht könnte Euch auch ein spezielles Mittel aus Bibianas Kräutergarten Linderung …«
»Geht!«
»Ihr könnt getrost klopfen, wenn Ihr etwas braucht«, sagte Els. »Durch die Bodenluke kann ich Euch in der Küche hören. Macht ruhigen Herzens Gebrauch davon! Ein Eimer ist bereit. Und frisches Wasser stelle ich Euch noch vor die Tür. Der Herr behüte Euch – gute Besserung!«
Es gelang Kramer gerade noch, auf das Bett sinken. Der Tisch, auf dem seine Aufzeichnungen lagen, schien so unerreichbar wie ein fernes Land. Er presste die Fäuste gegen die Schläfen, als wollte er seinen eigenen Kopf zerquetschen. Es gab keinen Schutz, keinerlei Ausweg, das hatten lange Jahre des Schmerzes ihn inzwischen gelehrt. Je stärker der Widerstand, desto unbarmherziger der Kampf.
Entkräftet schloss er die Augen und hieß seine Dämonen der Nacht willkommen.
Sie mochte diese dünne Frau mit den großen, roten Händen nicht, die Sigmund ihr als Hofmeisterin ausgesucht hatte. Das wollte sie ihm schon gestern sagen. Zu alt war sie ihr und viel zu verbissen, mit diesem angestrengten Gesichtsausdruck und dem hässlichen kleinen Wulst unter dem Kinn, den sie bekam, wenn sie ausnahmsweise freudlos lächelte. Außerdem verstand Katharina sie kaum, so wie es ihr überhaupt schwer fiel, einigermaßen mitzubekommen, was die Leute hier redeten. Aber dann hatte Fee losgekläfft, die Hochzeitsgaben waren überreicht worden, sie hatte sich zur Trauung ankleiden müssen – es war einfach zu vieles auf einmal passiert!
Jetzt nestelte diese Alma von Spiess schon die ganze Zeit an ihr herum, als sei sie eine Puppe, mit der man nach Belieben verfahren konnte. Katharina überkam Lust, sie einfach wegzustoßen.
»Ich brauche Euch nicht mehr«, sagte sie. »Ihr könnt Euch jetzt zurückziehen.«
Die Spiessin rührte sich nicht vom Fleck. Fee zog die Lefzen zurück und hörte auf zu wedeln.
Plötzlich kam Katharina sich fast nackt vor in dem weißen Seidenhemd mit den goldenen Stickereien, das sie für ihre Hochzeitsnacht angezogen hatte. Die Haare waren gelöst und mit kräftigen Strichen gebürstet, wie es ihr die Mutter schon als kleinem Mädchen beigebracht hatte. Weiche, rotblonde Wellen, die Katharina von ihr geerbt hatte, wie alle behaupteten. Die Sehnsucht nach der so weit Entfernten wurde auf einmal so stark, dass die Augen der Braut feucht wurden. Gerade mal fünfzehn war die Mutter gewesen, als man sie vermählt hatte, sie musste doch wissen, wie ihrem kleinen Mädchen jetzt zumute war. Warum nur hatte sie sich auf dieser schrecklichen Burg bei lebendigem Leib eingesperrt und war jetzt nicht bei ihr?
»Nur keine Angst!«, sagte die Hofmeisterin. Im Kerzenlicht erinnerte sie Katharina an ein Reptil, das auf der Lauer liegt. »Ein scharfer, stechender Schmerz, der wieder vergeht, sehr viel mehr ist es gar nicht. Und Blut, jede Menge sogar, wenn Ihr Pech habt, doch darum solltet Ihr Euch ebenfalls nicht scheren. Der Herzog kennt die Frauen, das dürfte Euch inzwischen bekannt sein, und weiß, wie man mit ihnen umgeht. Hütet Euch also, ihn zu enttäuschen! Ja, gebt acht, denn er kann sehr ungehalten und grob werden, wenn er enttäuscht ist.«
Wie unverschämt von dieser Frau, solche Anspielungen zu wagen! Sofort stand Katharina wieder die lange Reihe der Singbuben vor Augen, die ihr zunächst mit ihren hellen Stimmen und ihren frechen Versen solche Freude bereitet hatten – bis Alma ihr ins Ohr zischte, dass ausnahmslos alle Kegel des Herzogs seien.
»Ihr könnt Euch jetzt zurückziehen«, wiederholte sie, diesmal schärfer, und Fee begann wie auf Befehl loszuknurren. »Ich brauche Euch nicht mehr.« Den Gedanken an das Blut schob sie weit von sich. Ihr wurde ja schon übel, wenn sie sich versehentlich in den Finger schnitt und der rote Lebenssaft zu quellen begann.
»Ganz, wie Ihr wünscht, Euer Hoheit.« Der magere Rücken klappte leicht nach vorn. Wie hässlich die spitzen kleinen Knochen am Nacken hervorstanden! »Wenn der Herzog Euch aufsuchen wird, solltet Ihr …«
»Geht jetzt!« Es tat gut, die Stimme zu erheben, und tatsächlich gehorchte die Hofmeisterin und verschwand.
Katharina tupfte sich die feuchten Handflächen mit einem Tuch ab. Wenn wenigstens ihre vertrauten Jungfern in der Nähe gewesen wären! Doch die Spiessin hatte dafür gesorgt, dass sie weitab vom Frauenzimmer untergebracht wurden, angeblich aus
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