Die Hexe und der Herzog
Katharinas blasses Gesicht verschönte, war die einzige Antwort, die sie erhielt.
»Wieso hast du ihn eigentlich mitgebracht?«, fragte Hella. »Ich dachte immer, er bleibt am liebsten zu Hause.«
Lenas Blick flog in die andere Ecke, wo Sebi auf dem Boden saß und in seinem Kästchen kramte.
»Damit er endlich wieder einmal aus dem Gasthof herauskommt.« Die Antwort fiel heftiger aus, als eigentlich beabsichtigt. »Den ganzen Winter war er eingesperrt, wo er doch so gern draußen herumstromert! Stundenlang ist er dann in den Wäldern unterwegs, beobachtet von seinen selbst gebauten Verstecken aus Tiere und sammelt Blätter, Beeren und kleine Steine.«
»Woher weißt du das? Erzählt er es dir?«
»In gewisser Weise – ja. Denn ich sehe es an seinen Augen. Sebi ist so ruhig, so ganz und gar bei sich, wenn er von diesen Streifzügen zurückkommt. Und manchmal erkenne ich es auch an den Sachen, die er mitbringt.«
»Du gehst heimlich an sein Schatzkästchen?« Hella schien erstaunt.
»Ganz selten.« Lena hatte ihre Stimme gedämpft. »Und auch dann nur, um ihn in Schutz zu nehmen. Denn jedes Mal, wenn Els mitbekommt, dass er allein unterwegs ist, stirbt sie halb vor Sorge. Dabei müsste sie doch wissen, wie klug ihr Sohn ist, anstatt sich ständig über sein Anderssein zu grämen. Manchmal denke ich sogar, es ist vor allem sie, die ihn so ängstlich macht.«
»Man kann sich seine Kinder eben nicht aussuchen. Und seine Eltern ebenso wenig.« Hella hatte Wein auf den Tisch gestellt, Brot und den weißen, selbst gemachten Käse, den Lena so gern aß. »Du musst aber nicht gleich wieder in die Hofburg zurück, Lena?«
»Erst morgen früh. Seitdem sich herumgesprochen hat, dass die kleine Herzogin schwanger ist, sind alle außer Rand und Band. Dazu durfte jeder einen Wunsch äußern, und ich, ich wollte endlich einmal wieder zu meinen Leuten.« Lena tauchte ein Stück Brot in die weiche Masse und begann genüsslich zu kauen. »Ich hoffe so sehr für sie, dass alles gut geht!«
»Wieso denn nicht?« Hella nahm ihren Becher und lehnte sich an die Wand. »Sie ist doch jung und gesund. Katharina wird dem Herzog einen ganzen Stall voller Nachkommen schenken.« Sie zog die zierliche Nase kraus. »Dann soll ich künftig wohl besser nicht mehr ins Frauenzimmer kommen?«
»Ganz im Gegenteil«, sagte Lena. »Erst heute Nachmittag hat sie wieder nach dir gefragt. Irgendwie scheint die Herzogin einen Narren an dir gefressen zu haben. Dein schönes Haar, die Art, wie du lachst, dein sonniges Wesen... Du müsstest nur mal hören, wie freundlich sie über dich redet!«
»Aber du willst es nicht, habe ich recht? Dir wäre lieber, ich wäre dort niemals erschienen. Dir – und diesem mageren, hässlichen Weibsstück, das mich stets so angewidert fixiert, als sei ich eine giftige Natter.«
»Wundert dich das? Auch der Herzog bekommt Stielaugen, sobald du auftauchst. Am meisten aber macht mir zu schaffen, deinem seltsamen Spiel mit dem Hofmeister zuschauen zu müssen. Denkst du vielleicht, seine Frau ist blind und taub? Täusch dich da bloß nicht, Hella, die Spiessin kann gefährlich werden, wenn man ihr zu nah kommt!«
Hella spielte gedankenverloren mit ihrem langen blonden Zopf.
»Soll sie nicht die Geliebte des Herzogs gewesen sein?«, fragte sie schließlich. »Vielleicht kommt es ihr gar nicht so ungelegen, wenn Leopold nach anderen Frauen schaut.«
»Das sind Höflinge, Hella, für die gelten besondere Regeln, das hat der freundliche Medicus mir mehr als einmal klargemacht. Du aber bist und bleibst die Frau des Münzschreibers, auch wenn du dich manchmal aufführst, als hättest du das inzwischen vergessen.«
Hella war zum Fenster gegangen. Ganz kurz hielt Sebi in seinem geschäftigen Treiben inne und sah sie an, dann senkte er wieder den Blick und kramte weiter.
»Wie sieht es eigentlich bei dir aus?«, fragte sie. »Dieser Niklas und du …«
»Er ist ein Bastard des Herzogs, und ich bin eine Köchin. Genauso sieht es aus. Das mit den Höflingen gilt auch für mich.«
»Scheint mir aber nicht so, als würde ihn das sonderlich stören«, fuhr Hella fort. »Niklas singt für dich, spielt für dich – und im ›Goldenen Engel‹ war er auch.«
»Kann schon sein.«
»Komm schon, Lena, du bist doch sonst nicht so einsilbig! Mir kannst du es doch erzählen!«
Einen köstlichen Augenblick lang war Lena versucht nachzugeben. Sie mochte alles an Niklas, und ihre Gefühle waren in den vergangenen Wochen noch tiefer
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