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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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und Veverl schließlich viel zu früh den Tod gebracht hatte.
    Als sie bei den Händen angelangt war, blieb der Schwamm an etwas hängen. Rosin zog den Silberring mit dem roten Stein vom linken Mittelfinger ab, um ungestört weiterarbeiten zu können, und legte ihn auf den Schemel neben der Tür.
    Auf das Gesicht verwendete sie wie jedes Mal ganz besondere Mühe. Das begann schon beim Kämmen des Haars, das sie so liebevoll ausführte wie bei einer Lebenden. Danach betupfte sie das Antlitz mit einem branntweingetränkten Tuch, um es bei mildem Wetter, wie es jetzt herrschte, vor allzu schneller Verwesung zu schützen. Zum Stützen des Kinns und Schließen des Mundes diente ein kleiner Klotz aus Zirbelholz.
    Rosin zögerte kurz, dann beugte sie sich über ihren Korb und nahm das Kästchen mit den getrockneten Rosenblüten heraus. Ein paar davon drapierte sie auf der linken Brust, die unter der roten Pracht auf einmal fast jungfräulich wirkte. Das Kästchen hatte fürs Erste ausgedient und wanderte auf den Schemel, eine Bewegung, die sie so selbstverständlich ausführte, dass ihr gar nicht auffiel, wie sie dabei den Ring versehentlich beiseite stieß. Er fiel auf den Holzboden, rollte ein Stück weiter und verschwand schließlich in einer breiten Dielenspalte.
    Jetzt kam das Hochzeitskleid an die Reihe, das sich der Fassmacher anstelle des sonst üblichen Totenhemdes für sein Veverl gewünscht hatte. Rosin hatte keinerlei Scheu, die Gelenke zu biegen, damit die Leichestarre sich löste und die Gliedmaßen bewegt werden konnten. Trotzdem brach ihr der Schweiß aus, bis die tote Genoveva schließlich für die Ewigkeit fertig angezogen war und sie ihr die Hände über der Brust falten konnte, in die sie zuletzt noch den hölzernen Rosenkranz legte.
    Sie öffnete das Fenster und sog die warme Abendluft begierig ein. Dann schloss sie es wieder. Nun war es Zeit für Wilbeths Räuchermischung, die aus Wacholder, Salbei, Lavendel und Weihrauchharz bestand, alles zusammen in Wein geschwenkt und anschließend zu kleinen Kugeln auskristallisiert. Rosin entzündete sie in ihrer irdenen Schale und verteilte die würzigen Schwaden vom Kopf bis zu den Füßen der Toten.
    »Zu dir kehrt sie nun zurück, Borbeth, barmherzige Mutter allen Dunkels. Nimm die Tochter wieder auf in deinen fruchtbaren Schoß, auf dass sie…«
    Sie hielt inne in ihrem Gebet, als die Tür aufgestoßen wurde.
    »Bist du fertig?«, fragte die jüngere Tochter schluchzend. »Wir wollen endlich zu Mama.«
    »Ja«, sagte Rosin, obwohl sie ihr Gebet gern zu Ende gesprochen hätte. Sie würde es anschließend vollenden, auf dem Heimweg, nachdem sie die übliche Runde als Kirchheißerin gedreht hatte, die alle Nachbarn und Verwandten vom Ableben der Reindlerin in Kenntnis zu setzen hatte.
    »Sie sieht schön aus.« Mali, die Größere, war ehrfürchtig näher gekommen. »Als ob sie nur schlafen würde.«
    »Ihr dürft jetzt bei ihr sein«, sagte Rosin zu Blasius, der ebenfalls hereingekommen war. »Aber wartet nicht zu lange, bis ihr sie in den Sarg bettet! Diese abendliche Schwüle … da kann es mit allem noch schneller gehen als sonst.«
    Er nickte, noch immer kaum zum Reden fähig.
    »Dank dir schön«, brachte er schließlich mühsam hervor. »Und dein Geld hab ich dir draußen auf den Stufen bereitgelegt.«
    Rosin packte ihre Utensilien zusammen, von denen nichts im Totenzimmer zurückbleiben durfte, so wollte es der Brauch. Doch es fiel ihr schwer, dies so umsichtig und behände zu tun, wie wenn sie allein gewesen wäre, und tatsächlich übersah sie ein Stück Leinenbinde, das beim Ankleiden versehentlich unter die Tote gerutscht war. Sie war schon an der Tür, als die kleine Ida plötzlich zu schreien begann.
    »Der Ring ist weg! Mamas Ring – der, den doch immer ich bekommen sollte. Du hast schon ihre schöne Kette, Mali, aber wo ist mein Ring geblieben?«
    »Den hab ich deiner Mutter lediglich während des Waschens abgezogen.« Rosin stellte den schweren Korb wieder ab. »Da drüben auf dem Hocker muss er liegen.«
    »Der Hocker ist aber leer«, stellte Mali fest.
    »Dann ist er sicherlich auf den Boden gefallen.«
    Beide Mädchen quetschten sich unter das Bett.
    »Da ist nichts.« Ida kam prustend wieder nach oben.
    »Ich hab auch nichts gefunden«, sagte Mali.
    »Ich hab ihr den Ring abgezogen und ihn auf dem Hocker abgelegt«, wiederholte Rosin. »Er kann sich doch nicht plötzlich in Luft aufgelöst haben!«
    »Und wenn sie ihn eingesteckt hat,

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