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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Herzog Sigmund aus der Nähe erleben konnte, desto unschlüssiger wurde sie. Er wiederum schien sich an ihre Gegenwart gewöhnt zu haben, nannte sie nur noch selten »sein närrisches Mädchen«, musterte sie allerdings gelegentlich so seltsam, dass ihr leicht mulmig zumute wurde. Erkannte er in ihr womöglich Els wieder, mit der sie ja, wie die Leute behaupteten, große Ähnlichkeit verband? Oder erwachte bei ihrem Anblick lediglich sein berüchtigter Jagdinstinkt, vor dem die Tante sie so eindringlich gewarnt hatte?
    An manchen Tagen war Lena sich nahezu sicher und entschlossen, auf der Stelle zu Els zu gehen und ihr alles auf den Kopf zuzusagen. Dann wieder erfasste sie erneut Unsicherheit. Der Herzog und ihre Tante? Wieso gab es dann keinen deutlichen Hinweis, dass auch Sebi zu der beachtlichen Schar von Kegeln gehörte, über die in Innsbruck ganz unverhohlen geredet wurde?
    Lena jedenfalls war nicht bekannt, dass eine der Frauen, die dem Herzog einen Sohn geboren hatten, jemals hätte Not leiden müssen. Für ihre Tante aber war es nach Laurins Tod sehr schwer gewesen, sich allein durchzuschlagen. Bei all den anderen war von großzügigen Schenkungen die Rede und von einer reichhaltigen Aussteuer, falls sie sich schließlich mit einem anderen vermählten, ganz abgesehen davon, dass jedem der Kinder eine anständige Berufsausbildung zuteil wurde. Els jedoch hatte keine einzige dieser Zuwendungen erhalten, so viel war gewiss.
    Oder war das Privileg der Poststation für den »Goldenen Engel«, das viele in Innsbruck der schwarzen Els und ihrer kleinen Familie insgeheim neideten, diesem herzoglichen Gabenkatalog zuzurechnen? Aber hieß es nicht andererseits, es sei einzig und allein das Verdienst Laurins gewesen, mit der Poststation betraut zu werden, ein Privileg freilich, das er schon bald mit seinem Leben bezahlen musste?
    Wieder und wieder durchforschte Lena ihre Erinnerung, versuchte, in ihrem Gedächtnis so weit wie nur irgend möglich zurückzugehen. Sie war bei Sebis Geburt zehn Jahre alt gewesen, also eigentlich alt genug, um einiges mitzubekommen. Doch wie sie sich eingestehen musste, konnte sie sich nicht einmal mehr genau an Els’ Schwangerschaft erinnern. Es war, als sei über alles, was damals geschehen war, ein schweres, dunkles Tuch gebreitet, das jedes Bild und jeden Laut erstickte.
    Lautes Klatschen riss sie aus ihren Gedanken.
    Die Herzogin war aufgesprungen, so sehr schienen ihr Niklas’ anmutige Weisen gefallen zu haben, während ihr Gatte im Sitzen weiter applaudierte. Lena fiel auf, wie ungewöhnlich blass Katharina war, fast durchscheinend. Nicht einmal für die geliebte Fee, wie immer an ihrer Seite, hatte sie heute Augen.
    »Du kannst, wenn du nur willst«, sagte Herzog Sigmund zu Niklas. »Das weiß ich schon lange. Und heute wolltest du offenbar. Auf dass wir alle bald mehr solche glücklichen Tage erleben dürfen!« Er trank ihm zu, während der Spielmann sich sichtlich erfreut vor dem fürstlichen Vater verneigte.
    Auch Ritter von Spiess bequemte sich zu einem Lächeln, während die Hofmeisterin als Einzige verdrossen dreinblickte. Thomele hatte sich eine winzige Laute besorgt, auf der er jetzt geräuschlos zupfte und dabei wie ein dressiertes Äffchen Grimassen schnitt. Doch bis auf zwei kichernde Hofdamen schien keiner Lust zu verspüren, auf seine Albernheiten einzugehen.
    »Kommt«, rief der Herzog, »folgt mir! Ich werde Euch alle staunen machen.«
    Er eilte mit so schnellen Schritten voran in den neuen, erst vor wenigen Tagen fertiggestellten Trakt der Hofburg, dass die anderen Mühe hatten, ihm zu folgen. Die frisch bemalten Wände waren kaum getrocknet, aber Sigmund konnte es offenbar nicht abwarten, die sündteuren Neuheiten vorzuführen. Er hatte für diese Gelegenheit einen beachtlichen Hofstaat um sich geschart. Neben dem gesamten Frauenzimmer war auch der Marschall angetreten, dazu der Medicus, der Kämmerer, einige Grafen und Barone sowie der blutjunge Komponist Paul Hofhaymer, der am Hof wegen seiner geistlichen Orgelmusik als heimliches Genie gehandelt wurde und gerade erst von einer längeren Italienreise zurückgekehrt war.
    Van Halen fiel als Erster hinter die anderen zurück, weil das Tempo für seine stattliche Masse zu schnell war. Lena, die Anweisung hatte, sich stets nah bei der Herzogin und ihren Damen zu halten, stellte fest, dass Alma von Spiess ebenfalls langsamer geworden war, bis sie schließlich an van Halens Seite war und mit besorgter Miene auf ihn

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