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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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einredete, während alle anderen lachten, plauderten und vergnügt wirkten. Fee bellte freundlich; sogar sie war offensichtlich allerbester Laune.
    Seit der Abreise von Pater Institoris vor einigen Wochen schien ein schwarzer Schleier von der Hofburg genommen. Ein strahlender Mai war über das Land gekommen und inzwischen schon fast wieder vergangen, so warm und sonnig wie kaum je zuvor. Alles blühte und grünte, die Vögel jubilierten, und die Menschen erfreuten sich an der Üppigkeit der Natur. Es gab keine Geister mehr, vor allem auch keinen Geisterjäger, vor dem viele sich insgeheim noch mehr gefürchtet hatten.
    Stattdessen waren Lebensfreude, Glanz und Übermut an den Hof des Erzherzogs zurückgekehrt. Ganz offenbar verstand das fürstliche Paar sich nach einem lautstarken Streit, der durch die Mauern ihrer Gemächer zu hören war, besser denn je. Seitdem war allerdings der Jurist Johannes Merwais zum ständigen Besucher im Frauenzimmer geworden, was er nahezu jedes Mal geschickt mit einem kurzen Abstecher bei Lena und ihren Kochtöpfen zu verbinden wusste. Alles schien im Lot, wenngleich die blutjunge Frau an Sigmunds Seite sich mittlerweile geradezu ungebührlich in die Herrschaft über Tirol einmischte.
    Vor einer frisch gezimmerten Flügeltür blieb der Herzog stehen. »Es ist doch alles für meine kleine Überraschung bereit?«, fragte er, zu Lena gewandt.
    Diese »kleine Überraschung« hatte alle, die in der Küche arbeiteten, um mehr als eine Nachtruhe gebracht. Chunrat war vor lauter Schimpfen fast heiser worden, Lena mehrmals halb verzweifelt zu Bibiana gerannt, um ihren Rat einzuholen; die Schar der Küchenjungen hatte sich auf die Zunge gebissen und wie Ochsen im Joch geschuftet. Jetzt hofften alle, dass die vereinte Mühe sich gelohnt hatte und alles zur Zufriedenheit Sigmunds ausgefallen war.
    »Natürlich, Euer Hoheit«, erwiderte Lena mit einem tiefen Knicks. »Genau, wie Ihr befohlen habt.«
    Ahs und Ohs ertönten, als er die Tür aufgestoßen hatte.
    Auf einer schier endlosen Tafel waren vielfältigste Speisen arrangiert, die, so ausdrücklich die herzogliche Anordnung, allesamt mit dem Thema Frühling zu tun hatten: junge Hopfensprossen, in Milch gekocht, Krebspastete, gesottenes Huhn mit frischen Zwiebelchen, gebackene Barben, breite Bärlauchnudeln, Eierkuchen mit Spargel, Lauchomeletts, Kalbsfleisch mit Senfkruste, zarte Täubchen in Rettichsauce, Küchlein aus Feigen und Mandeln. Auch die jungen mit dem Auftragen betrauten Mägde steckten in duftigen, hellen Kleidern und hatten sich auf allerhöchstes Geheiß hin Blumen ins Haar geflochten. Verlegen ob dieser ungewohnten Aufmachung, drückten sie sich an die Wand, nachdem die Hofgesellschaft eingetreten war.
    »Wie himmlisch das alles duftet!«, rief als Erster van Halen, jetzt wieder vorndran, weil es ums Essen ging. »Und seht doch nur, diese reizenden Engel, die uns bereits ungeduldig erwarten! Welch gütigem Geschick haben wir diesen unerwarteten Segen zu verdanken?«
    »Gefällt es Euch auch, Katharina?«, vergewisserte sich der Herzog, weil seine Frau ganz stumm und bleich neben ihm stand. »Denn für Euch ist es ja vor allem gedacht: der Frühling unseres Landes für den schönen, jungen Frühling in meinem Leben!«
    »Aber ja doch«, stieß sie hervor, sichtlich mehr überwältigt als gerührt. »Ihr seid mir stets für eine Überraschung gut, werter Sigmund! Wenngleich ich einräumen muss, dass ausgerechnet heute mein Appetit nicht sonderlich groß ist.«
    »Ihr werdet gleich hungrig werden, wartet nur ab! Aufgetragen wird ohnehin erst nach der nächsten Überraschung.«
    Der Herzog hatte den Raum mit ungeduldigen Schritten durchquert und stand schon vor der nächsten Tür.
    »Alles bereit, Hofmeister?«, rief er.
    »Wie Ihr befohlen habt, Euer Hoheit«, erwiderte Leopold von Spiess.
    »Dann schließt endlich auf!«
    Ein langer rechteckiger Saal tat sich auf, mit neu verlegtem Zirbelholzboden und schmalen Fenstern, von denen eines offen stand. Die Wände waren mit großen Gemälden geschmückt. Doch nicht sie zogen die Blicke aller auf sich, sondern die hölzernen Käfige, die auf breiten Hockern in Reih und Glied links und rechts die gesamte Saallänge entlang aufgestellt waren. Sie erschienen viel zu groß für die kaum sperlingsgroßen Federwesen, die verschüchtert in ihnen hockten, braungefiedert, mit blanken Augen, in jedem Käfig ein einsames Vögelchen. Todesangst hatte sie offenbar ausgiebig koten lassen; ein strenger

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