Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
Vom Netzwerk:
hier gut untergebracht und wird Speyer nicht verlassen, bevor der Prozess entschieden ist – falls du dir darauf Hoffnung machen solltest.«
    »Gibt es Aussicht, ihn zu gewinnen?«
    Wenn ich das wüsste, dachte Julius. Marsilius war nicht nur brutal und rücksichtslos, er hatte sich bisher auch bei den Prozessen um die Blutgerichtsbarkeit erstaunlich gut geschlagen, was auf einen regen Verstand und einen gewieften Familienadvokaten schließen ließ. Wenn er darauf beharrte, dass diese Edith nur als Amme in seinem Haus diente … Wenn er vielleicht sogar zusagte, sie fortzuschicken …
    »Es sieht also nicht allzu rosig aus«, stellte Marx fest.
    »Alles wird seinen Gang gehen.«
    »… sprach der Advokat und geleitete seinen Mandanten zum Galgen. Ich hätte einen Zeugen, der gegen Marsilius’ Hexe aussagt.«
    Julius spürte, wie sein Herz einen Schlag lang aussetzte. »Wen?«
    Marx blieb stumm. Sie ritten, der eine links, der andere rechts, um ein zerrissenes Zelt, das vom Tross zurückgelassen worden war. Dann packte er Julius am Arm. »Bring Sophie zu mir raus. Ich muss sie sprechen.«
    »Du musst? Natürlich. Natürlich, und ich täte das auch gern – wenn ich nämlich die Absicht hätte, das Mädchen komplett ins Unglück zu stürzen! Reicht es nicht, was dieser Mistkerl von Ehemann ihr angetan hat? Musst du ihrem Herzen eine weitere Wunde zufügen? O bitte, sag nichts! Deine Küchenabenteuer sind durch ganz Herbede gegangen. Und was du im Krieg getrieben hast …« Julius sah, wie Marx die Hände hob. Verdammt, wahrscheinlich war der Kerl noch stolz auf sein ausschweifendes Leben. »Ich lass nicht zu, dass du deiner widerwärtigen Sammlung von Affären dieses arme Kind hinzufügst!«, rief er hitzig. »Sophie …«
    »… war ein Kind, als sie ihren Ehemann geheiratet hat und an sein Miststück, die Hexe, geraten ist, ganz recht. Aber sie hat sich nicht verkrochen, sondern sich zur Wehr gesetzt. Sie hat den Fehdehandschuh aufgenommen und Siege und Niederlagen erlebt, und inzwischen … O Gott, sie ist eine Kämpferin geworden!«
    »Eine Kriegsamazone, ja? Die neue Jeanne d’Arc? Marx, das ist widerwärtiger Scheiß. Kannst du deine dreckigen Hände nicht von den Menschen lassen?« In Julius kochte der Zorn. Wie leicht es Marx fiel, andere Leute zu begeistern, sah man an dem Gesindel, das er um sich sammelte, und sogar Heinrich war seiner Faszination ja aufgesessen. Aber Sophie sollte der Mistkerl nicht kriegen. Das hielt sie doch nicht aus! Man zerbrach keinen Menschen, weil man Spaß daran hatte, mit ihm in der schmutzigen Halbwelt der Abenteurer Husarenstückchen zu vollbringen.
    »Ist dir schon der Gedanke gekommen, sie könnte selbst entscheiden wollen, was sie tut oder bleiben lässt?«, ließ Marx sich kühl vernehmen.
    »Eine Frau, die in wenigen Monaten eine barbarische Ehe und den Mordanschlag einer Hexe erdulden musste, die unter grässlichsten Umständen ein Kind gebar und die seither heimatlos durch die Gegend irrt … Sie ist völlig verstört!«
    »Im Gegensatz zu dir und mir, die herrgottsgleich und ausgeglichen wie die Sau nach dem Furz einen Schachzug nach dem anderen planen – und damit so überaus erfolgreich sind!«
    Julius griff in Marx’ Zügel. Er wartete, bis der Schimmel zur Ruhe gekommen war, und sagte leise: »Fass sie an, und ich bring dich um.«
    Einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen. Dann löste Marx bedächtig Julius’ Hand von den Lederschnüren. »Also gut. Die Zeugin, die ich habe, ist aus der Burg. Sie kennt Edith seit Jahren, und was sie zu sagen hat, könnte im Prozess den Ausschlag geben. Ich bringe sie zu Sophie, wenn du mir sagst, wo ich sie finde.«
    »Und danach verschwindest du aus ihrem Leben?«
    Natürlich versprach Marx nichts. Und vermutlich existierte diese angebliche Zeugin gar nicht. Kochend vor Wut, trieb Julius sein Pferd an. Als er davonritt, rief Marx ihm nach: »Umbringen wirst du mich aber nicht, Julius. Bis jetzt hat mich noch niemand zweimal leichtsinnig erwischt.«

   ophie war so glücklich gewesen, als Julius endlich aus Breitenbenden zurückkehrte. Erleichtert lauschte sie ihm, während er ihr erzählte, dass Marsilius im Haus ihrer Eltern zwar einiges zerstört, aber die beiden selbst verschont hatte. Dann allerdings fügte er die betrübliche Nachricht hinzu, dass Christine an einer Erkältung litt, die sich durch einen bösen Husten äußerte, und dass ihre Eltern in Sorge um sie seien. Er blickte bei diesen Worten an

Weitere Kostenlose Bücher