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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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überkugelte sich und rollte in einen tauenden Schneehaufen. Himmel, die waren ja außer Rand und Band. Dann bog Marsilius mit Dirk und einem weiteren Mann – dem Henker Kaspar, den er in seinen ständigen Dienst genommen hatte – um die Ecke. Er sprang aus dem Sattel und ging mit langen Schritten zum Treppenturm. In welcher Stimmung mochte er wohl sein?
    Sophie erfuhr es, als er kurz darauf in die Stube kam. Er trat die Tür auf. Und dann ging alles drunter und drüber. Dirk folgte ihm auf dem Fuß, um die Männer wuselten die Hunde. Sophie wollte eine scherzhafte Schelte vorbringen, weil das Essen kalt geworden war, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Fassungslos sah sie, wie ihr Mann zum Tisch rannte und mit einem einzigen Ruck das Tuch mitsamt Speisen und Geschirr von der Tischplatte zog. Scherben sprangen durch die Luft, rotbraune Soße kleckste auf den Boden. Aus einer zerbrochenen Porzellanschüssel drang der Duft des Lendenbratens, und einer der Hunde schnappte nach dem Fleischstück. Die dicken Bohnen werden Flecken auf dem Holz hinterlassen, dachte Sophie. Ihr stieg ein hysterischer Laut in die Kehle, den sie nur mühsam unterdrücken konnte.
    Sie flüchtete ans Fenster, als Marsilius gegen einen Stuhl trat. Er schleuderte eines der grünen Gläser, das wie durch ein Wunder auf dem Tisch stehen geblieben war, in ihre Richtung. Es zerschellte an der Wand. Sophie gab keinen Laut von sich. Dies hier war ein Alptraum, keine Wirklichkeit. So etwas … gab es gar nicht. Kein Mensch benahm sich so. Die Hunde gebärdeten sich wie wahnsinnig. Dirk stand kreidebleich in der Tür. Nein … nein, gleich würde Mutter kommen und sie aufwecken und …
    Gott steh mir bei . Entsetzt starrte Sophie auf ihren Ehemann, der sie jetzt direkt ins Auge fasste. In seinem Gesicht stand blanke Raserei. Und sie war mit ihm allein im Zimmer, denn das Gesinde war aus dem Raum gestoben, sogar die kleine Eva, die die letzte Stunde damit verbracht hatte, den Ofenschirm vor dem Kamin zu wienern. Nur Dirk war noch da. Aber der war so versteinert wie sie selbst.
    »Er hat das Kaninchen festgehalten«, brüllte Marsilius sie an. Der erste deutliche Satz, den er sprach. Er trat nach einem der Hunde, das Tier flitzte mit einem überraschten Knurrlaut von dannen. Sophie entrang sich ein Schmerzensschrei, als Marsilius sie bei den Armen packte. »Ein Spieß ging ihm durch den Hals und aus dem Mund wieder raus.« Sie roch den Wein in Marsilius’ Atem. »Er konnte nicht schreien, aber er hielt das Kaninchen!«
    »Wer denn?« Sie hätte nicht fragen sollen. Marsilius schleuderte sie von sich, wie er zuvor seinen Hund zur Seite getreten hatte. Sie stolperte gegen die Wand und stürzte zu Boden. Einige Sekunden lag sie still vor Schreck. Ihr Mann starrte sie an. Sein Blick schien klarer zu werden, als ginge ihm auf, dass er gerade sein Kind in Gefahr gebracht hatte. Aber im nächsten Augenblick ergriff er den Tisch. Sie hätte es für unmöglich gehalten, dass jemand das schwere Eichenmöbel mit den Säulenbeinen und den soliden Verstrebungen umstoßen könnte, doch er schaffte es, und die Tatsache, dass sich dieses Möbel nicht ebenfalls durch die Luft schleudern ließ, fachte seine Wut weiter an. »Herr …«, hüstelte Dirk, weiß im Gesicht.
    In diesem Moment schwang die Tür zur Küche auf. Es war kein unvorsichtiger Dienstbote, der das Zimmer betrat, sondern Edith. Ohne zu zögern, ging sie auf den Rasenden zu und schlang liebevoll ihre Arme um ihn, und – Herrgott im Himmel – sie schien nicht die geringste Angst vor ihm zu haben. Sophie fühlte einen Stich der Eifersucht, doch zugleich zitterte sie vor Erleichterung, als sie sah, wie Marsilius sich unter Ediths Gemurmel beruhigte. So unauffällig wie möglich erhob sie sich vom Boden.
    »Er hat das Kaninchen festgehalten«, brachte Marsilius hervor, fassungslos wie ein großes Kind, das in Tränen ausbrechen will.
    Edith klopfte ihm mit einer mütterlichen Geste den Rücken. »Du wirst es mir erzählen.«
    »Er hatte den Spieß durch den Hals in den Mund …«
    »Du wirst mir alles erzählen.« Die Hure zog Marsilius zu seinem Lieblingsstuhl, wo sie ihn auf das Polster bugsierte. Sie kniete vor ihm nieder und umfasste seine Hände. »Nun?«
    Das Gesinde schien begriffen zu haben, dass die unmittelbare Gefahr vorüber war. Theiß öffnete die Tür, und als der mutigen Tat nichts Schlimmes folgte, erweiterte der Koch den Spalt, so dass das übrige Gesinde auch etwas sehen

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