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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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entzündeten sich und verkohlten ebenfalls. So war er also dahin, der Beweis, an dem angeblich alles hing. Mit der Flamme erlosch ein weiteres Stück Hoffnung in Sophie.
    »Marsilius wollte den Fetzen aufheben, für alle Fälle. Man weiß ja nie, hat er gesagt. Aber das war unklug gedacht. Denn wie man sieht, hat das blonde Schwein gegen alle Wahrscheinlichkeit überlebt.«
    »Marsilius wird dich für das hier bestrafen«, murmelte Sophie.
    »Kaum.«
    »Er hasst dich inzwischen. Er weiß, dass du ihn krank gemacht hast. Er wird dich …«
    Edith war mit wenigen Schritten bei ihr und schlug sie ins Gesicht. Kühl erklärte sie: »Marsilius liebt mich.« Nein, ganz so kühl war sie doch nicht. Ihr Atem flackerte. »Es dauert nicht mehr lange – in weniger als einer Stunde wirst du dich hier winden«, flüsterte sie. »Und dann bist du tot. Und es gibt niemanden mehr, der zwischen mir und ihm steht. Dann ist er ganz mein!«
    Da begriff Sophie auf einmal die Wahrheit: Edith liebte den Mann, den sie verhext hatte, tatsächlich.
    Edith ging fort und ließ sie in der oberen Zelle zurück. Aber Sophie bliebt nicht lange allein. Der Henker der Burg, Kaspar, betrat mit lautem Gepolter den Raum und war in höchster Erregung. »Wir foltern«, brüllte er. Die Worte galten den Männern, die ihm folgten. Jössele, außerdem einem leichtfüßigen, braungebrannten, italienisch aussehendem Mann, den Sophie nicht kannte, und Dirk.
    »Tu’s«, brüllte Letzterer, nicht minder aufgebracht, »und rechne damit, dass der Herr dich dafür büßen lässt, sobald er wieder bei Sinnen ist.«
    »Er ist bei Sinnen!«
    »Er tobt vor Schmerz.«
    »Ich habe einen Befehl!«
    Dirk trat die Tür ins Schloss. Er war weiß im Gesicht. Noch niemals hatte Sophie ihn so erregt gesehen. Er hatte Clara vor Augen, seine Frau, sie wusste es, und ihre Angst wandelte sich in Panik, als sie begriff, was das bedeutete. Der Italiener schaute von einem Mann zum anderen.
    Mit einem kurzen Knurrlaut bellte Kaspar, dass er es satthabe, sich bevormunden zu lassen. Kurz entschlossen packte er Sophie und stieß sie zur Kammer mit den Folterinstrumenten.
    Dirk folgte ihnen. »Du legst Hand an die Herrin der Wildenburg, ohne dass der Herr dabei ist, ohne dass sie angehört wurde und ohne dass ihr angeboten wurde zu gestehen, wie das Gesetz es vorschreibt. Das wird man Marsilius anlasten. Er kann es sich aber nicht leisten, dass sein Ruf weiter angekratzt wird. Deshalb soll der Prozess ja in aller Form stattfinden. Tu ihr was an, und Marsilius wird dich zum Sündenbock machen, wenn der Herzog von Jülich eine Rechtfertigung von ihm fordert.«
    Kaspar schnaufte verdrossen. Doch das Argument schien ihn zu beeindrucken, denn er ließ Sophies Arm fahren. »Was soll ich dann tun?«
    »Ich sag doch: Warte, bis der Herr wieder bei Sinnen ist. Und lass ihn entscheiden.«
    Kaspar fluchte in einer fremden, rauen Sprache.
    »Bis heut Abend warten, kann ja nicht schaden«, sprang Jössele Dirk zur Seite. »Der Herr hat dir nicht befohlen, sofort mit der Arbeit zu beginnen.«
    »Mal hü, mal hott!« Mürrisch beschloss der Henker, das Feld zu räumen. Gleich darauf war Sophie wieder allein.
    Sie sah zu, wie die Kerze, die die Männer zurückgelassen hatten, niederbrannte und erlosch. Danach war es oben so dunkel wie unten. Nachdem sie einige Zeit geschwankt hatte, fand sie es erträglicher, in das untere Verlies zurückzukehren, denn dort hatte sie zumindest die Decke. Und die Foltergeräte waren nicht gar so nah. Also tastete sie sich zur Falltür und lag wenig später unter der Daunendecke, die zumindest ein bisschen Wärme spendete.
    Bewegungslos starrte sie in die Dunkelheit. Wie hatte Marx es nur geschafft, in diesen Mauern und nachdem er gemartert worden war, nicht den Mut zu verlieren? Aber vielleicht war das ja geschehen, und er hatte seine Courage bei der Hinrichtung nur gespielt, weil er den verhassten Feinden nicht den Triumph gönnen wollte, ihn gebrochen zu sehen. Sie versuchte nicht zu weinen und schaffte das auch. Dafür musste sie sich plötzlich übergeben. Ihr Magen spielte verrückt. Angeekelt von dem Gestank kroch sie in eine andere Ecke, wo sie sich an die eisige Mauer lehnte.
    Irgendwann nickte sie wieder ein. Und erwachte davon, dass sie Henriette weinen hörte. Erschrocken riss sie die Augen auf. Das Kind schwebte über ihr. Ein weißes Bündel, das Wappen der Palandts auf der Windel. Starr vor Grauen, stierte Sophie auf den Säugling, der um die Strickleiter

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