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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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unterdrückten Seufzer trank Sophie aus dem Becher, den man ihr auf Marsilius’ Anweisung hin jeden Abend brachte. Er enthielt einen Aufguss aus Himbeerblättern, der helfen sollte, das Gedeihen seines Sohnes zu fördern. Ihr Mann hatte darauf bestanden, dass sie die ersten Schlucke vor seinen Augen nahm. Der Tee schmeckte gut. Sie hatte nichts dagegen, den Becher bis zur Neige zu leeren. »Es ist doch mysteriös, oder?«, argumentierte sie. »Zuerst will Josepha mir etwas zeigen, dann verschwindet sie, dann soll sie gar nicht verschwunden sein, sondern bei ihrer Schwester, dann taucht sie trotzdem nicht auf … Mir ist das unheimlich.«
    Gesche brummte etwas, biss mit den Zähnen einen Knoten auf und machte sich daran, eine zweite Naht zu trennen.
    »Soll ich’s mir aus dem Kopf schlagen?«
    »Hm.« Die kleine, spitze Schere schob sich unter das Garn.
    Draußen kläffte und jaulte ein Hund, aber als Sophie aufstand und aus dem Fenster schaute, sah sie, dass es nur der Köter vom Wachtor war, der eine Ratte jagte.
    »Um das mal zusammenzufassen, Herrin: Dirk unternimmt deshalb nichts, weil er ahnt oder weiß, dass Edith hinter Josephas Verschwinden steckt. Die Leute – und damit meine ich Dirk und die anderen vom Gesinde – werden sich aus der Schusslinie halten, bis sie wissen, wer auf der Burg die Oberhand kriegt: Ihr oder die Hexe. Die haben alle eine Scheißangst vor Edith.«
    »Und du? Hast du keine Angst?« Sophie hielt die Luft an. Es blieb so lange still in ihrem Rücken, dass sie schließlich meinte, ihre Magd habe die leisen Worte gar nicht gehört. Doch als sie sich umdrehte, blickte Gesche sie an. In ihrem groben Gesicht lag ein seltsamer Ausdruck.
    »Wisst Ihr, dass ich Trosshure war, bevor ich hierher kam? Im Heer von Rudolf von Tiefenbach. Fünf Jahre lang. Das ist nichts, womit ich prahle, normalerweise behalt ich’s für mich. Ist aber so. Und da, im Tross, hab ich gelernt, was einer wert is. Was ich sagen will, ist: Ich seh, wer was wert ist, wenn es ernst wird; wenn die Kugeln zu pfeifen beginnen. Und Ihr seid was wert.« Sie lächelte kurz, als sie Sophies Miene sah. »Ihr kriegt das hin, Herrin. Ihr jagt die Hexe zum Teufel, von wo sie auch gekommen ist, da bin ich sicher. Nur, mit dem Herrn sprechen – das ist keine gute Idee. Nicht im Moment. Ich würde sagen: Lasst mich mal schauen, was ich rauskriege. Bei einer wie mir machen sie in der Küche eher den Mund auf.«
    »Ich bin was wert?«
    Gesche lachte, als sie sich mit dem Ärmel über die Nase fuhr und aufstand, um in die Küche zu gehen.
    »Sie haben noch mehr Angst, wie ich dachte«, berichtete sie, als sie in Sophies Schlafkammer zurückkehrte. Eine Kerze brannte auf dem Kaminsims. Ihr unruhiges, rauchiges Licht fiel auf Eva, die auf einer Strohmatte neben dem Fenster schlief. Sophie hatte ihr dort ein schmales Bett hinstellen lassen, um sie immer um sich zu haben. Das schwarze Haar umfloss ihr Kindergesicht wie vergossenes Pech. Fürsorglich zog Gesche eine Decke über den schmalen Leib.
    »Also«, sagte sie, als sie damit fertig war, »zuerst mal: Josepha hat wirklich eine Schwester. Märthe kennt sie, die kommen beide aus demselben Dorf. Aber ob Josepha wirklich zu ihr ist oder nicht, da gehen die Meinungen in der Küche auseinander. Theiß hat gesagt …«
    »Ich traue ihm nicht!«
    »Da tut Ihr auch gut dran. Der Saukerl betrügt Euch mit den Gewürzen«, bemerkte Gesche trocken. »Trotzdem, man muss auf jeden Vogel hören, wenn man wissen will, was sich im Wald tut. Theiß hat gesagt, Josepha geht oft zu ihrer Schwester. Aber als er raus ist, aus der Küche, hat mir Märthe erzählt, dass Josepha mit ihrer Schwester zerstritten ist, wegen dem Tod von ihrer Mutter und einem Satz Leuchter, die damals vererbt wurden, und sie hat sie wegen der Leuchter schon seit Jahren nicht besucht und geschworen, sie würd es nicht tun, bis die Schwester selbst auf dem Totenbett liegt. Nun frag ich mich, warum mir Theiß was vorschwindelt. Und ich würd sagen, das ist, weil er ahnt, dass Edith diese Lüge gefallen würde. Versteht Ihr mich?«
    »Und das wiederum würde bedeuten, dass Edith wirklich etwas mit Josephas Verschwinden zu tun hat!«
    »Jedenfalls weist einiges darauf hin.«
    »Aber Gesche, das ist ungeheuerlich! Ich muss Marsilius …«
    »Langsam, Herrin, langsam. Wenn man einen Angriff plant, dann muss man dafür sorgen, dass die Zündkrautfläschchen und das Kugelsäckchen gefüllt sind. Ich hab noch mehr

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