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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Mördergrube machte. Und dass die Edith neben dem Scheiterhäuschen stand, in dem man Clara verbrannte. Und in ihren Augen saß dabei eine Freude, dass sich der Schwemme-Jörg, der mir das erzählte, bekreuzigt hat.«
    Sophie schluckte mit trockenem Mund. Sie blickte zu dem Gefängnisturm, der sich mit seinem mützenartigen Dach über die Vorburg erhob. Was Gesche andeutete, war grauenhaft. Wie musste Dirk zumute gewesen sein! Erst starben seine Kinder, und dann wurde seine Frau hingerichtet, die sicherlich zuvor gefoltert wurde, um ihr Geständnis zu erlangen. »Mir ist wieder übel.«
    »Das ist jetzt nur der Schreck, Herrin.«
    »Dann glaubst du also, dass Edith eine Hexe ist, die unschuldige Frauen, die sie nicht leiden konnte, als Hexen in Verruf brachte?«
    Gesche wiegte den Kopf. »Dirk hat um seine Frau gekämpft, ham sie gesagt. Er wollte eine Untersuchung seiner toten Kinder durch einen Medikus. Sie sind nur am Fieber gestorben, wie so viele Kinder zu der Zeit, hat er gesagt, und Josepha, die die Amme der Kinder war, hat’s bestätigt und auch, wie Clara ihre Kindlein während der Krankheit umsorgte und schier außer sich war. Herr Marsilius hat Dirk nachgegeben. Vielleicht hatte er ja selbst Zweifel. Er hat einen Medikus aus Trier kommen lassen, der sich mit Krankheiten auskannte, und mit ihm einen Hexenkommissar.
    Die beiden ham die toten Kindlein untersucht und dann das Haus von Dirk auf den Kopf gestellt – sämtliche Zimmer, vom Dach bis zur Küche. In einer Höhlung hinter dem Kochkamin von Clara ham sie ’ne Wurzel gefunden. Schwarz, in der Form von einem Männchen. Eine Alraune, wenn Ihr versteht. Wahrscheinlich ausgegraben unter einem Galgen. Von der Alraune war die Rinde abgeschabt, und Clara hat zugegeben, dass sie einen Sud daraus gekocht hat. Doch sie hat’s nur getan, sagte sie, um das Zahnweh zu lindern von Adolf, weil er doch solche Schmerzen hatte. Aber tut man das?, ham die Leute gefragt? Behandelt man ein kleines Kind mit solchem Hexenzeug?«
    Sophie hatte keine Ahnung. Sie kannte Alraunen nur vom Hörensagen.
    Düster fuhr Gesche fort: »Dann hat man angefangen, die Dielen aufzustemmen, und da, unter einer der Dielen, hat man ein Püppchen gefunden, aus Wachs, mit Glasaugen und mit Nadeln bespickt als wär’s ein Nadelkissen. Und wie man das Wachs geschmolzen hat, steckten blonde Haare drin, wie Edith sie hat, und da war alles klar für den Kommissar. Er sagte, dass Clara die armen Kindlein vergiftet hat, um aus ihren unschuldigen Leibern die Zutaten für einen Schadenzauber zu gewinnen, und dass dieser Zauber gegen Edith gerichtet war, die ebenfalls sterben sollte und schon seit Tagen klagte, dass ihr ein Stechen durch die Glieder ging, und das alles aus dem Grund, weil Clara die Edith hasste. Der Herr Marsilius hat Clara peinlich befragen lassen, und am Ende hat sie es zugegeben. Da ham die Leute sich bekreuzigt. Nur dass man dran kaute, dass die Edith die Clara ebenso sehr hasste, und die Clara hatte doch immer gehangen an den Kindern. Und die Edith hatte glückliche Augen, wie man die Clara verbrannte.«
    Sophie nickte. Sie war wie betäubt.
    »Versteht Ihr nun, dass Ihr nicht die Hände in den Schoß legen und an die Güte des Schicksals glauben könnt?«
    »Mir ist kalt, Gesche.«
    »Hm.«
    »Lass uns wieder reingehen.«
    Gesche half Sophie auf, und sie schritten stumm zur Brücke zurück, wo der Torwächter seine Füße in einem Eimer badete. Er grüßte und schaute ihnen neugierig nach. Während Sophie die Pferdetreppe erklomm, starrte sie zum Hexenturm, der nicht rund war, aber auch nicht quadratisch, sondern ein vieleckiges Gemäuer, dessen Grundriss dem Felsboden angepasst worden war. Er sah aus wie eine Kröte, die glupschäugig das Gelände überwachte. »Was glaubst du – was mag mit Josepha geschehen sein?«, fragte sie bedrückt.
    »Was eben mit Leuten geschieht, die zu viel wissen und den Mund nicht mehr halten wolln? Deshalb schweigen sie ja jetzt auf der Burg – die ducken sich weg, die ham Angst, dass sie enden könnten wie Clara. Und dabei starren alle auf Euren Bauch, denn dort sitzt die Waffe, die Ihr habt, um die Zuneigung Eures Herrn zu erringen, was sich wohl jedermann hier erhofft, damit die Herrschaft der Hexe ein Ende hat.«
    »Aber es gelingt mir nicht.«
    Gesche legte den Arm um ihre kleine Herrin, was nicht respektvoll war, aber ungemein tröstlich. »Die blonde Hexe hat Euch das Gewitter und ein Gift geschickt, aber Ihr lebt, und Euer Söhnchen

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