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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Hände aneinandergefesselt waren, beinahe aus dem Sattel geworfen. Gereizt erkundigte er sich: »Wovon, mein Sohn, soll ich etwas halten?«
    »Unten im Tal liegt ein Hof, Pater.« Marx tänzelte auf ihn zu. »Ein Bauer, sein Weib, zwei Töchter und ein altersschwacher Knecht. Unter dem Stroh hat der Bursche ein Kistchen mit Münzen vergraben – der Lohn jahrelanger Schufterei und mehrerer klug eingefädelter Hochzeiten. Unser Bäuerlein ist so feist, dass ihm die Knöpfe von der Jacke springen, und so dumm, dass er in den Schenken mit seinem Reichtum prahlt. Ein Hühnchen, das danach schreit, gerupft zu werden, glaubst du nicht auch?«
    »Der Allmächtige wird dich für deine Untaten von tausend Teufeln peinigen lassen«, erwiderte Ambrosius für den Fall, dass seine geistliche Einschätzung der Situation gefragt war, was er allerdings für unwahrscheinlich hielt.
    »Wie sauertöpfisch.«
    »Ich werde fröhlicher klingen, wenn ich euch erst im Schwefelgestank der Hölle um die Gnade des Herrn heulen höre!«, brauste Ambrosius auf. Ihm wurde schwül, als er sah, wie die Blicke der Männer sich plötzlich auf ihn richteten. Sie mochten es nicht, wenn man sie an das Jenseits erinnerte, in dem sie die Quittung für ihre Übeltaten präsentiert bekommen würden. Halt in Dreiherrgottsnamen den Mund, befahl er sich, nur um im selben Moment herauszuplatzen: »Warum schleppt ihr mich mit, auf euren sündigen Wegen? Warum könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen und das tun, wozu der Herr mich vorgesehen hat? Ihr seid verstockt, es gibt keine Hoffnung für euch. Der Böse reibt sich euretwegen die Hände, sein Gelächter …«
    »Der Heiland is gestorben, damit wir alle seine Gnade ham, Papistenschwein«, schnauzte ihn einer der Männer, sicher ein Lutheraner, an.
    »Über dir kann man einen Kübel voll Gnade ausschütten, ohne dass du auch nur um ein Lot sauberer würdest!«, gab Ambrosius hitzig zurück.
    »Scheiße, ich hör mir so was nicht …« Der Mann verstummte, als Marx die Hand hob. Die Kerle hatten Angst vor ihrem Anführer, obwohl Ambrosius ihn noch nie gewalttätig gesehen hatte. Das war eine der Merkwürdigkeiten, die dieses verlotterte Trüppchen umgab. Marx ritt heran und musterte den Pater. »Du bist ein mutiger Mann«, meinte er versonnen. »Nur leider mit einer Neigung zum Lamentieren.« Er lächelte kurz, und dann hatte er das Interesse an ihm auch schon wieder verloren.
    Seine Männer begannen, miteinander über die Risiken zu diskutieren, mit denen sie bei einem Raubzug zu rechnen hätten. Über die Wahrscheinlichkeit, dass der Bauer Tagelöhner angeheuert hatte, die ihm beistehen könnten, über die Gefahr, dass er – bei seinem Reichtum gut möglich – eine Muskete besaß, über die Nachbarn, die dann etwaige Schüsse hören würden … Aber Ambrosius spürte, dass ihre Einwände aus keinen bangen Herzen kamen. Die Burschen lechzten danach, in das Tal hinabzureiten. Sie waren samt und sonders ehemalige Söldner, denen nicht nur die Moral, sondern auch die natürliche Furcht des Menschen vor einem Kampf abhandengekommen war. Sie wollten Beute machen. Und hier hatten sie beste Aussichten.
    Der Hof, um den es ihnen ging, lag separiert im Süden des Tals. Im Norden, wo sich ein Weg den nächsten Berg hinaufschlängelte, gab es noch eine kleine Siedlung, aber die Bewohner würden eine Weile brauchen, um ihrem Nachbarn zu Hilfe zu eilen – falls sie den Überfall überhaupt bemerkten und den Mut aufbrachten, sich einzumischen.
    Da … Ambrosius fuhr zusammen. Ein Schuss zerriss die Luft.
    »Haltet ihn!«, brüllte Marx. Dem Pater wurden, ehe er sich’s versah, die Zügel entrissen. Jost drängte ihn in die Büsche, riss ihn halsbrecherisch aus dem Sattel und schob ihn, so gut es ging, hinter Blätterwerk. Er warf sich auf ihn, sein Messer glitt an Ambrosius’ Kehle.
    Ein zweiter Schuss ertönte. Die anderen Bandenmitglieder waren mittlerweile in die Deckung eines Felsens geritten und versuchten, die aufgeregten Pferde zur Ruhe zu bringen. Nur Marx verharrte still wie ein Denkmal auf dem Weg, mit konzentrierter Miene und gesenkten Lidern. Vielleicht ist es ja so, dass er sterben will, überlegte Ambrosius, der angestrengt zu ihm hinüberspähte. Denn was anders als die Sehnsucht nach dem Tod konnte den Mann darin hindern, sich ebenfalls zu verstecken, bis die Luft wieder rein war.
    Zwei oder drei Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah. Dann ertönte Marx’ Stimme erneut. »Jäger. Sie

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