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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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ebenfalls.« Sie blinzelte listig. »Vielleicht hat das Biest sich dieses Mal überhoben. Edith hat zwar dafür gesorgt, dass sie nicht in der Burg war, wie’s Euch schlecht ging. Aber die Frauen, die Euch beigestanden ham, sind jetzt voller Sorge. Sie wissen – der Herr freut sich wie närrisch auf das Kind, und wenn man ihm zuträgt, wie es in der letzten Nacht um Euch stand … Vielleicht hat Edith den Bogen überspannt. Der Herr fackelt nicht, wenn es um das Wohl seines Erben geht.«

   mbrosius wollte nicht klagen. Der Herr hatte es zugelassen, dass Marx von Mengersen ihn entführte, und indem er ihn in diese Bande von Rohlingen und Verbrechern warf, hatte er ihm den Becher mit einem wahrhaft bitteren Trank gefüllt. Doch er war bereit, ihn bis zur Neige zu leeren – immer noch. Er wäre nur froh gewesen, wenn es dabei weniger heiß gewesen wäre. Das Gewitter, das am vergangenen Nachmittag über dem Land niedergegangen war, hatte zwar die Luft gereinigt, aber dafür waren die Temperaturen in unnatürliche Höhen geklettert. Hitze im Mai! Es war, als hätte der Herr die Schöpfung in einen gigantischen Scheiterhaufen verwandelt, um seine nichtsnutzigen Kinder für ihre Sünden brennen zu lassen.
    Und als wäre das nicht Plage genug, hatte Ambrosius sich auch noch die Innenseiten der Schenkel blutig gescheuert. Kein Wunder, saß er doch bereits seit drei Tagen im Sattel. Aber es hatte keinen Sinn, sich darüber zu beschweren, denn sie wurden gejagt. Marsilius und seine Männer waren ihnen so dicht auf den Fersen, dass sie sie mehrere Male fast erwischt hätten. Ach, wie satt er es doch hatte: die überstürzten Aufbrüche, die Gewaltritte, das mucksmäuschenstille Verharren in fledermausverseuchten Höhlen, das befreite Gelächter, wenn irgendein Schicksal irgendwie an ihnen vorbeigegangen war … Wenn Marx von Mengersen ihn doch nur niedergestochen hätte, damals, am Grab des toten Jungen, statt ihn in diese Bande von Nichtsnutzen zu entführen, deren gotteslästerliches Treiben den heiligen Engeln die Zornesröte ins Gesicht trieb.
    Ambrosius lenkte den Blick nach vorn, wo der Mann, dem er grollte, ihren kleinen Trupp anführte. Marx’ Schimmel, dieses Geschöpf direkt aus der Hölle, war das einzige der Tiere, das die merkwürdige Reise ohne Ziel zu genießen schien. Während die anderen Pferde missmutig nach dem Gras am Wegrand spähten, strebte es beständig vorwärts. Auch jetzt, als sein Herr die Zügel anzog, um ein Tal zu begutachten, trippelte es ungeduldig mit den Hufen.
    »Wie lange noch?«, stöhnte der Pfarrer. Er hörte selbst, wie jämmerlich seine Worte klangen. Der Mann neben ihm lachte spöttisch auf. Aber was tat’s. Ambrosius war für Marx’ Unholde ohnehin nur eine Witzfigur in einer schwarzen Sutane. Verblendet, wie sie waren, nahmen sie an, dass er sein Leben auf seidenen Kissen verbracht hatte, und fanden, dass es ihm ganz recht geschähe, endlich einmal auf das wirkliche Leben zu stoßen. Immer dieser Neid gegenüber der Geistlichkeit! Ich klage nicht, Herr, dein Wille geschehe .
    Marx drehte sich zu seinen Männern um. Sein Goldhaar flatterte im Wind. Er schien bis zum Bersten mit Unternehmungslust gefüllt. Der Arm mit der Klauenhand, der nutzlos am Körper hing, konnte die Eleganz seiner Erscheinung und die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen nicht beeinträchtigen. Sein Lächeln, dachte Ambrosius mit einem Flattern des Herzens, ist wie das einer Flussnixe, die einem Wasserfall entgegentanzt.
    »Lust auf eine weitere Teufelei?« Marx’ Blick war bei den Worten direkt auf die Geisel gerichtet. Konsterniert schaute Ambrosius zur Seite. Statt seiner antwortete Jost Backes, der Glatzkopf mit den Muttermalen, der so etwas wie ein Unteranführer in diesem Haufen von Mördern war. »Sie sind uns dicht auf den Fersen«, gab er zu bedenken.
    »Hast du Angst?« Marx war das Lächeln einfach nicht aus dem Gesicht zu treiben. Dieser Kerl schien sein Leben noch zu genießen, wenn ihm die Lanzenspitze bereits die Kehle anstach. Wahrscheinlich dann sogar am meisten, dachte Ambrosius. Wie der Mensch ihn erschöpfte! Ein Gutes jedenfalls hatte der mörderische Ritt. Das Unglück in seiner Hose, Ursache und Ausführender seiner Sünden, hatte sich wund zu einem Würmchen zusammengerollt und jegliches Interesse an schneidigen Mannsbildern verloren. Ambrosius zuckte zusammen, als Jost ihm einen Tritt versetzte.
    »Wir fragen, was du davon hältst!«
    Der Stoß hätte den Pfarrer, da seine

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