Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
Vom Netzwerk:
bewusstlos verschlafen hatte. Verstört rieb sie mit dem Daumennagel über ihre Wange. »Was hast du bei Edith gefunden?«
    »Nix. Und das ist genau das, was zu erwarten war. Da gab’s nur Kleider und silbernen Tand und Spiegel und Salben in Tiegeln und einige Münzen. Das ist gar nicht gut.«
    »Warum?«
    »Weil es bedeutet, dass die Hexe noch ein anderes Quartier haben muss.«
    »Wie meinst du das?«
    »So schnell seid Ihr heut grad nicht im Kopf«, meinte Gesche nachsichtig. »Eine Hexe braucht tausenderlei Hilfsmittel, um ihre Teufeleien zu verüben. Und die muss sie irgendwo unterbringen. Ist doch klar. Sie hat Säckchen mit Giftpflanzen wie Schierling und Schwalbenwurz, Kessel, gestohlene Hostien, Döschen mit Spinnen … Ihr wisst nichts von so was, hm? Ist auch ein Segen, man sollte mit dem Teufelskram gar nicht in Berührung kommen.«
    »Und woher weißt du davon?«
    »Weil ich in der Hölle gelebt hab, Herzchen. Dort greift man nach jedem Strohhalm, um zu überleben. Ich weiß alles – und zwar über die schwarze wie über die weiße Zauberei. Meine Kleine, die jetzt in Gottes Hut ist, hat, wie sie fünf Jahre alt und damit unschuldig war, Nothemden genäht, die die Soldaten vor den Kugeln schützen sollten. Das war weiße Zauberei. Und ’n gutes Geschäft dazu. Ich hab auch Wolfsaugen verkauft und Gemskugeln und den Kopf von ’ner Fledermaus, eingenäht in’n schwarzes Katzenfell, und damit sicher hundert Männern das Leben gerettet. Aber die meiste Zauberei dient bösen Zwecken. Und weil ich mich auch damit auskenn – aber nicht, dass Ihr zu jemandem ein Wort darüber verliert! –, hab ich Ediths Kammer durchsucht. Als ich nix gefunden hab, bin ich runter in die Dörfer. Hier in der Burg kriegt ja keiner das Maul auf, wenn es um Edith geht. Aber in den Schenken wird immer geschwätzt, hab ich mir gesagt, und deshalb bin ich da hin.«
    Eine Biene summte über den mit Goldlack übersäten Boden. Sprachen sie wirklich von Hexen? Man hat mich vergiftet, dachte Sophie. Die Bauchkrämpfe und das Übergeben … gab es dafür denn eine andere Erklärung als Gift?
    »Und ich hatte recht«, fuhr Gesche fort. »Wisst Ihr, was die Leute getratscht ham, als sie besoffen genug waren? Über Frau Wolpmann?«
    »Du hast etwas über sie erfahren?«
    Gesche holte Luft, jetzt kam offenbar eine Neuigkeit, die es in sich hatte. »Dirks Weib wurde verbrannt, Kindchen. Als Hexe. Auf einem Scheiterhaufen. Das ist jetzt drei Jahre her. Marsilius selbst hat sie verurteilt, und ihre Asche wurde auf das Wasser des Manscheider Baches gestreut. Damit wurde sie von der Erde und aus Gottes Reich getilgt.«
    Sophie versuchte die Worte zu verdauen.
    »Und das ist wegen der Kinder geschehen. Frau Wolpmann wurde beschuldigt, dass sie die eigenen Kindlein hinmordete, um aus ihrem Blut und ihren Innereien Salben zu mischen und damit dem Bösen gefällig zu sein, der’s von ihr forderte. Vor drei Jahren war das. Unser Herr Marsilius hatte es rausgefunden, weil sie von anderen Hexen, die er im Hexenturm auf ihre Verbrechen hin verhörte, angeschwärzt wurde, und da hat sie alles gestanden, sagen sie in der Schenke, und wurde zum Tod verurteilt und verbrannt.«
    »O gütiger Heiland!«
    »Damals gab es den ersten großen Streit zwischen unserem Herrn und Werner von der Reifferscheidt-Burg, weil der die Hexen selbst brennen lassen wollte, aber das ist jetzt egal. Sie ham jedenfalls gebrannt, und eine von ihnen war Clara Wolpmann, die ihre eigenen Kinder mit einem Zauber belegte, so dass sie unter Krämpfen starben. Und dabei tat sie noch, als würde es ihr das Herz brechen, sagen sie in der Schenke.«
    »Dann war ihr Ende gerecht.«
    »Das sagten sie in der Schenke auch, nur dass man sich, als das Bier reichlicher floss, auch wunderte. Die Clara ham sie nämlich alle gekannt – das war ’ne fröhliche und gottesfürchtige Frau, die jeden Sonntag in die Messe ging und immer sagte, was sie dachte, und ihre Kleinen liebkoste, dass man ihr schon riet, das Herz nicht zu sehr an die Kinder zu hängen, weil man doch weiß, dass der Herrgott sie dann zu sich nimmt.«
    »Was willst du mir sagen, Gesche?«
    »Ich geb nur wieder, was ich gehört hab, während die Kerle gesoffen haben. Dass es nämlich Edith war, die zuerst das Gerücht von Hexen aufbrachte, und dass man vorher nie was hatte, mit Hexen oder so, hier im Wildenburgischen. Und dass die Edith im Streit lag mit Clara, weil Clara sie nicht ausstehen konnte und aus ihrem Herzen keine

Weitere Kostenlose Bücher