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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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flackerten. Die Kerzen mussten schon eine ganze Weile brennen, denn das Wachs war an ihnen hinabgeronnen und hatte sich wie erstarrte Lava auf der Decke gesammelt. Ein schmaler, länglicher, skelettierter Schädel, vielleicht von einem Dachs oder einer Katze, lag im höchsten Punkt des Kerzenkreises. Damit hatte sie den Beweis: Edith hatte sich tatsächlich der Hexerei verschrieben. Und sie war in die Burg zurückgekehrt, um von neuem ihr Unwesen zu treiben. Von Marsilius war nichts zu sehen. Natürlich nicht. Die Hure hatte ihm vielleicht mit einem Liebeszauber den Kopf verdrehen können, aber er hätte sich niemals selbst mit Zauberei abgegeben. Dazu hatte er viel zu viel Angst um seine unsterbliche Seele. Ihre Hexerei würde sie immer heimlich betreiben.
    Sophies Blick wanderte ins Zentrum des Kerzenkreises, wo ein Wachsbild lag. Unsicher trat sie näher. Das Bild war mit Aufwand und Geschick geformt worden, und sie erkannte augenblicklich ihre eigenen Züge in der reliefartigen Darstellung. Sie brauchte gar nicht erst auf den Dorn, der in dem geschwollenen Bauch steckte, zu sehen, um zu begreifen, was es mit dem Bildnis auf sich hatte. Ihre Hand rutschte auf ihren harten Leib. Waren es wirklich Wehen gewesen, die sie in den letzten Stunden gequält hatten? Gesche, dachte sie, von Panik erfasst. Wo steckt Gesche?
    Sie drehte sich um – und starrte in Evas Kindergesicht. Das dumme Mädchen hatte die Tür zugeschlagen. Es hielt die Lampe in der Hand. Eigentlich sah Eva aus wie immer. Aber andererseits auch nicht. Etwas Triumphierendes saß in ihrem Gesicht, das überhaupt nicht zu dem hilfsbereiten Kind passte.
    »Du hast lang gebraucht.«
    Beim Klang der Stimme fuhr Sophie erneut herum. Hinter dem Tisch befand sich eine weitere Tür, oder vielmehr: ein schwarzes Gitter, das sie bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Davor stand nun Edith. Sie musste sich im Nebenraum versteckt gehalten haben. Ihr Kleid war so schwarz wie das Tischtuch. Ihr Gesicht leuchtete dagegen weiß wie eine Schneescheibe, mit roten Lippen, die aussahen, als wären es mit Blut gemalte Mondsicheln.
    »Wo ist Gesche?«, fragte Sophie rau.
    Der Blick der Hexe wanderte zum Angstloch. Sophie bemerkte quer über der Öffnung eine mit Seilen umwickelte Eisenstange – vermutlich eine Strickleiter, mit der man die Gefangenen in das Verlies hinabließ. Sie begriff. »Hol sie sofort dort raus«, befahl sie. »Auf der Stelle.« Sie zuckte zusammen, als Edith hell auflachte. Gleichzeitig spürte sie Wut aufkeimen. »Geh, Eva, schick den nächsten Menschen, den du siehst, zu mir herein. Dann schrei Alarm und hole den Herrn. Mach schon, beeil dich!«
    Als in ihrem Rücken alles still blieb, blickte Sophie über die Schulter. Dass Mädchen schaute die Hexe an – doch ohne einen Schimmer von Furcht. Sogar mit einem Lächeln. Was ging hier vor?
    »Willst du dir Gesche nicht ansehen?«, raunte Edith höhnisch.
    »Eva«, flüsterte Sophie, »komm zu dir. Die Hexe hat dich mit einem Zauber belegt. Widerstehe. Bete zur Jungfrau … Geh, nun geh schon!«
    Wider Erwarten gehorchte das Mädchen. Sophie atmete auf. Sie hörte Evas Schritte und dann den dumpfen Schlag der Tür, die ins Schloss zurückfiel.
    Edith stand ein ganzes Stück vom Angstloch entfernt. Sophie wagte es, trat zu der Öffnung und schaute hinab. Auf dem Boden des Verlieses, der aus nacktem Fels bestand, brannten ebenfalls Kerzen, was bedeutete, dass Edith dort unten gewesen sein musste. Ihr schwindelte. Bei einem Sturz würde man sich sämtliche Knochen brechen. Sophie sah jetzt auch, woher das Rauschen kam. Der Felsboden neigte sich an den Seiten des Verlieses, und dort gurgelte in einer breiten Rinne Wasser, das auf einen Abfluss zuströmte. Aber vor diesem Abfluss staute das Wasser sich an einem Hindernis.
    An dem Körper von Gesche.
    Der Rock der Magd war über die Oberschenkel gespült worden, was ihre Scham freilegte. Sie sah wie eine Dirne aus. Das Pfannkuchengesicht war ein einziger blutiger Brei. Ihr Zopf wirbelte in den Strudeln.
    Sophie wandte sich um. Sie sah, dass Edith einen Schritt in ihre Richtung tat, und wich rasch zurück. »Dafür wirst du brennen!«, sagte sie tonlos.
    »Ja, wenn jemand davon erfährt.«
    Sophie antwortete nicht. Eva musste jeden Moment zurückkehren. Wenn Marsilius den schwarzen Altar und Gesches Leiche sah, würde er sich nicht mehr vor die Hexe stellen, das wusste sie.
    »Das Wasser fließt über einen Tunnel hinab zu einem kleinen Weiher ganz in der

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