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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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andere Menschen, so viel Intelligenz … Es presste ihm das Herz zusammen. Er hätte nicht untätig bleiben dürfen, als der Junge begann, sich vor der Familie und den Freunden zu verschließen. Er hätte in ihn dringen, ihn nötigen müssen zu reden. Vor allem aber hätte er ihn nicht Marx überlassen dürfen.
    Die Männer schwiegen, während sie ihren Gedanken nachhingen. Reinhard ergriff als Erster wieder das Wort. »Wir müssen diesen Brief vergessen.«
    »Bitte?«
    »Aus mehreren Gründen. Zum einen würde es Heinrichs Andenken entehren, wenn herauskäme, dass er sich zum Spion herabgewürdigt hat. Und zum anderen wären die Folgen für Elisabeth unabsehbar. Denn wenn die protestantische Union diesen Krieg gewinnt – was ja nicht auszuschließen ist –, stünde ihr Sohn als Verräter da. Bedenkt nur, was für Folgen das hätte!«
    »Aber …«
    Reinhard hob in einer gebieterischen Geste, die eigentlich gar nicht zu ihm passte, die Hand. »Lasst es gut sein, Julius. Kümmert Euch um die juristischen Angelegenheiten unserer Besitztümer und macht Elisabeth, die an Euch hängt wie an niemandem sonst, glücklich, so weit es geht. Das bringt mehr, als in Gräbern zu wühlen. Vergesst den mysteriösen Brief! Vergesst ihn zu unser aller Wohl!«

   ophie hatte für sich behalten, was sie in der grauenvollen Nacht, in der der tote Marx von Mengersen die Burg aufsuchte, erlebte. Mehrere Mal hatte sie angesetzt, es Marsilius zu beichten, aber dann hatte sie immer sein Gesicht vor sich gesehen, mit dem er sie fragen würde, warum sie nicht um Hilfe gerufen habe. Und darauf hätte sie keine Antwort gewusst, außer dass sie zu entsetzt gewesen war, um ein Wort herauszubringen.
    Außerdem wollte sie nichts aufrühren. Marsilius war gerade so glücklich. Die Bande, die der Mörder angeführt hatte, löste sich auf. Einer seiner ehemaligen Kumpane wurde in Reifferscheidt gehängt. Ein anderer mit einem Sauspieß niedergestochen, als er in einem Dorf ein Schaf stehlen wollte. Mit ihrem zwielichtigen Herrn hatte die Unholde das Glück verlassen. Er war in die Hölle gefahren, in der sein Meister ihn erwartete, und damit hatte Marsilius seinen Frieden wiedergefunden. Und da Edith der Burg fernblieb, fiel es ihm auch leicht, sich wieder seiner Ehefrau zuzuwenden. Sie waren auf dem besten Weg, zu einem ganz normalen Ehepaar zu werden. Der Freiherr und die Freiherrin von der Wildenburg. Die Mächte des Bösen, die wie Schatten über ihnen gehangen hatten, waren vertrieben.
    Es wurde Juli, und Sophies Schwangerschaft kam ins letzte Drittel. Mit jeder Woche, die ins Land ging, wurde sie dicker und unbeholfener und immer aufgeregter wegen der Geburt. Ihre Mutter, die zur Entbindung eigentlich auf die Burg hatte kommen wollen, litt leider an einem offenen Bein. Aber sie sandte Sophie tausend Ermahnungen.
    Auch Gesche traf Vorkehrungen. Sie holte ein Bullenherz aus der Küche, bestückte es mit Dornen und legte es in den Kamin in Sophies Schlafkammer. Außerdem achtete sie darauf, dass die Schürhaken mit dem Kamingitter ein Kreuz bildeten. Und als die Zeit der Geburt näher rückte, gab sie Sophie ein Beutelchen, in dem sich ein Stückchen vom Horn des Rindes befand, das die heilige Perpetua zu Boden getrampelt hatte. Allerdings war nicht gewiss, ob die Reliquie echt war, und zur Sicherheit ließ sie Sophie einen Zettel essen, auf dem das Vaterunser niedergeschrieben war.
    »Muss das denn sein? Die Hexe ist fort!«
    »Wir haben sie aber nicht brennen sehen, oder? Es richtet ja kein Schaden an, wenn wir uns vorsehen.«
    »Aber es macht mir Angst.«
    »Völlig überflüssig. Alles wird gut gehen, Ihr werdet schon sehen. Noch kurze Zeit, und Ihr haltet Euer Söhnchen in den Armen«, beruhigte Gesche ihre Herrin. »Euer Gatte wird glücklich sein, und niemand wird mehr die Macht haben, Euch ein Leid zuzufügen.« Sie sprach mit viel Überzeugungskraft, und doch entging Sophie nicht der Unterton von Sorge in ihrer Stimme. Ediths Verschwinden war gar zu rätselhaft, denn Marsilius hatte sie gar nicht fortgejagt. Sie war von selbst verschwunden. Vielleicht hat der Teufel seinen Tribut von ihr gefordert und sie in die Hölle hinabgezogen, dachte Sophie mit banger Hoffnung.
    »In der Gesindestube besticken die Frauen Windeln. Alle sind schon ganz aufgeregt«, verriet Eva. Sie reichte Sophie den Becher mit dem Himbeertee, auf den Marsilius immer noch Wert legte, und diese trank und bemühte sich, alle trüben Gedanken zu

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