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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Sie wollte nach Kräutern schauen. Aber sie war auch neugierig auf den Hexenturm. Gesche hat gesagt, dass es ein gutes Versteck für eine Hexe wäre, weil sich da keiner reintraut. Wegen der Folterwerkzeuge und so.«
    »Aber Edith ist fort!«
    »Gesche traut ihr nicht. Sie sagt, die Stunde der Geburt ist … ich weiß nicht. Aber vielleicht wollte sie doch nicht in den Turm. Ich hab sie nicht genau verstanden.«
    Edith zurück in der Burg? Nein, das war unmöglich. Nervös knibbelte Sophie an den Fingernägeln. Ihr Bauch zog sich schon wieder zusammen. Sie brauchte Gesche. Konnte es sein, dass die Magd in den Hexenturm gegangen und dort irgendwie gestürzt war? Sophie hatte das Gemäuer selbst noch nie betreten. Das Obergeschoss war direkt mit dem Wehrgang verbunden – dort hielten sich die Wachmannschaften auf. Aber es gab keine Treppe in das Untergeschoss hinab, und so war der Teil, der die Verließe enthielt, wie ein abgeschlossenes kleines Universum. Nicht einmal Schreie drangen durch die dicken Mauern. Vielleicht war Gesche fehlgetreten und wartete auf Hilfe. Es war doch mehr als ungewöhnlich, dass sie nicht zurückkehrte. Sie hatte Sophie in den letzten Tagen kaum eine Stunde allein gelassen.
    Sollte man Marsilius bitten nachzuschauen? Nein. Allein Ediths Namen zu nennen kam Sophie unklug vor. Das Band zwischen ihr und ihrem Ehemann war dünn, da machte sie sich nichts vor.
    Plötzlich kam ihr ein neuer Gedanke. War Marsilius vorhin vielleicht deshalb so abweisend zu ihr gewesen, weil seine Hure es geschafft hatte, ihn zurückzuerobern? Ach was, unmöglich! Er hatte begriffen, was für ein teuflisches Weib sie war. Aber sofort kamen Sophie wieder Zweifel. Edith hatte doch schon mehrfach gezeigt, welche Macht sie über Marsilius besaß. Sollte das das Ende ihres Kampfes sein: Die Hexe wieder in Marsilius’ Bett und sie selbst das blasse Geschöpf, das in der Burg nichts zu sagen hatte und nur dazu diente, Kinder zu gebären? Sophie merkte, wie ihre Angst sich in Wut verwandelte. »Komm, Eva. Wir schauen nach!«
    Der Wind wehte lau über den Burghof, als sie ins Freie traten. Sophie hatte angenommen, dass das Burggesinde längst schlief, aber dem war nicht so. An den Fenstern, die durch das Kerzenlicht schwach beleuchtet wurden, sah sie Gestalten, die sich miteinander unterhielten. Nur draußen war alles wie leer gefegt.
    Mit klopfendem Herzen blieb sie in dem Eckchen zwischen der Remise und dem Hexenturm stehen. Irgendwo schrie jämmerlich ein Kätzchen. Es war eine unruhige Nacht. Vor ihr ragte die Mauer des Turms auf, massiv und abweisend. Sophie starrte auf den armdicken Riegel, der die Tür zum Turm verschloss. Der sie verschließen sollte. Der Riegel war zurückgeschoben, die Tür stand einen Spalt weit offen. Sophie schluckte. Marsilius war zerrissen. Er wollte seine Frau und den Sohn, den sie ihm gebar, und das ehrbare Leben, das eine normale Familie ihm bot. Aber Edith faszinierte ihn. Vielleicht hatte er sich gedacht, dass er beides haben könnte: Edith im Turm, wo sie ihm jederzeit zur Verfügung stand. Und Sophie im Palas. Vielleicht hatte er gehofft, dass seine Frau gar nichts von Ediths Anwesenheit merken würde. Oder dass sie sie hinnähme, wenn sie die Hexe nicht mehr ständig vor Augen hätte. Plötzlich hielt Sophie alles für möglich.
    Und Gesche?
    Es hatte keinen Sinn, länger zu grübeln. Sophie öffnete die Tür und hob die Kerze. Ein finsterer, muffig riechender Gang tat sich vor ihr auf. Das also waren die Steine, über die man Marx und Clara Wolpmann geschleppt hatte. Wahrscheinlich war auch Dirk hier entlanggegangen, um seiner Frau Mut zuzusprechen. Ihr Herz hämmerte, als sie aus dem Hof in den Gang trat. Eva huschte neben sie.
    Im Schein der Kerze erblickte sie eine zweite Tür. Ihre Nerven waren zum Zerreißen angespannt, als sie nach der Klinke griff. Sie hatte erwartet, dass sie Kraft aufbringen müsste, um die Tür aufzustemmen, denn sie sah solide aus, aber sie schwang schon durch den leisen Druck ihrer Finger auf.
    Was ihr später vor allem im Gedächtnis haften blieb, war das Rauschen. Die Kammer hinter der Tür – sie war kreisrund, mit einem Durchmesser von vielleicht zwölf Fuß – wurde davon erfüllt wie von einem geisterhaften Raunen. Es kam aus dem Boden, aus einer Öffnung, vor der eine zurückgeklappte Falltür lag: dem Angstloch.
    Als Nächstes sah Sophie einen Tisch mit einer schwarzen Samtdecke und Dutzenden schwarzer Kerzen darauf, die im Luftzug

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