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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Nadel …«
    »Wer denn?«
    »Die Hexe!« Die Frau umklammerte sein Bein. Mücken, die der Regenguss vertrieben hatte, kehrten zurück und sammelten sich zu aufdringlichen Attacken. Julius merkte, dass sein Hemd schweißnass an seinem Körper klebte. »Wie ist Euer Name?«
    »Gott, o Gott, hilf mir!«
    Wozu mochte man während einer Geburt heißes Wasser brauchen? Er meinte, davon gehört zu haben, dass heißes Wasser in die Zimmer von Gebärenden getragen wurde, aber wozu benutzte man es? Die Neugeborenen wurden doch sicher nicht abgekocht. Ein warmer Strahl ergoss sich über sein linkes Bein. Er verzog angewidert das Gesicht, bis ihm klar wurde, dass kein Mensch solche Menge Urin von sich geben konnte. »Herr im Himmel«, murmelte er pikiert.
    Und dann schrie sie so laut, dass es das Wurzelwerk erschütterte.
    Das Wesen, das sie aus sich herauspresste, war blau im Gesicht und blutig und schleimig und so ungefähr das Abstoßendste, was er je gesehen hatte. Es brüllte wie zuvor die Mutter. Die Frau selbst lag erschlafft im Moos. Julius starrte wie hypnotisiert auf das Scheusal zwischen den bis zur Scham nackten Beinen. Allgütiger, was sollte er tun? Kochendes Wasser? Wozu denn nur? Plötzlich begann die Frau noch einmal zu pressen. Sie drückte etwas heraus, das ebenso unappetitlich wie das Kind und mit diesem durch eine bläulich-weiße geringelte Schnur verbunden war.
    Schwach erinnerte sich Julius an die Jungen, die Elisabeths Hündin geworfen hatte. Die Sache war ähnlich abgelaufen, und nach der Geburt hatte die Hündin begonnen, ihren Welpen die Schnur durchzukauen. Anschließend hatte sie die blutigen Reste, die an der Schnur hingen, gefressen. Von einer menschlichen Mutter wurde etwas so Ekelerregendes sicher nicht erwartet, aber ihm schwante, dass das Kind ebenfalls von der Schnur befreit werden musste. Das Prinzip der Ähnlichkeit in der Schöpfung.
    Er wartete einige Minuten, in der Hoffnung, dass etwas geschähe, was aber nicht der Fall war. Das Kind hörte auf zu schreien und schlug die Augen auf. Sie waren blau und das Erste an ihm, was er nicht hässlich fand.
    Er nahm sein Messer aus dem Gürtel und schnitt die pulsierende Schnur durch. Das Kind strampelte, doch es schien keine Schmerzen zu haben und durch den Schnitt auch nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Offenbar hatte er richtig gehandelt. Dadurch ermutigt, zog er sein Hemd aus, machte es im Tümpel nass und begann, den Säugling zu säubern.
    Irgendwann fiel ihm auf, dass die Frau blutete. Auch das noch! Er wusch das Hemd aus, legte den nassen Stoff zwischen ihre Beine und hoffte das Beste. Wer hätte gedacht, dass eine Geburt etwas so Unappetitliches war.
    Es wurde wärmer und zum Mittag hin heiß. Allmählich dämmerte Julius, dass er in der Falle saß. Der Tümpel lag so abseits der Wege, dass keine Seele vorbeikam. Und die Frau glühte, sie hatte zu fiebern begonnen. Was, wenn sie starb? Wie sollte er dann herausbekommen, wer ihre Familie und vor allem der Vater ihres Kindes war? Natürlich könnte er den Säugling im nächsten Dorf abgeben und hoffen, dass man die Tote dort kannte und sich um ihren Nachwuchs kümmerte. Aber wenn nicht … Ihm war klar, dass das Kind dann sterben würde. Ammen waren rar, und es hieß, dass kaum ein Säugling die ersten Wochen in den Findelhäusern überlebte. Was ihn natürlich nichts anging.
    Der Gedanke machte ihm dennoch zu schaffen. Das Kleine hatte sich so tapfer ins Leben gekämpft. Es ballte die winzigen Fäustchen und rekelte sich und schien so … unternehmungslustig. Manchmal zuckte sogar etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht. Ein ungewöhnliches Kind. Er hatte es in eines der Beine seiner Ersatzhose gewickelt und ihm das andere um den Körper geschlungen. In einer Ahnung, dass es hungrig sein könnte, hatte er außerdem die Brust der Frau entblößt und den Mund des Kindes an eine der Brustwarzen gelegt. Er war fasziniert davon, wie es auf Anhieb begriff, auf welche Art es an Nahrung gelangte, und wie beharrlich es sich anstrengte und dafür sorgte, dass die Brustwarzen hergaben, was möglich war.
    »Du hast Schneid«, sagte er, aber sein Lächeln war halbherzig. Denn was half aller Schneid, wenn man zu klein war, um für sich zu sorgen? Kinder starben, selbst die, um die man sich kümmerte. Er durfte nicht sentimental werden. Natürlich könnte er nach einer Amme suchen und sie aus eigener Tasche bezahlen. Und gelegentlich überprüfen, ob es ihm gut ging.
    Es wurde Nachmittag. Immer

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