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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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zwischen den Bäumen verschwand.
    »Tja …« Marx schaute auf sie herab. »Was mach ich nun mit dir, Hänfling?« Er stand dicht vor ihr, und als er sich mit der Hand gegen einen Baum stemmte, verschwand sie fast in seinem Schatten. »Wenn ich das täte, was meine Männer von mir erwarten, was Julius mir mit seinen stummen Flüchen abzuringen sucht und was das irritierte Restchen Verstand in meinem Kopf mir rät – dann sagte ich dir jetzt adieu.«
    »Ich will mein Kind zurück. Es stirbt, wenn ich’s nicht hole.«
    »Warum sollte Marsilius seinem eigenen Fleisch und Blut etwas antun?« Marx fragte so skeptisch wie zuvor Ambrosius. Da sprudelte zum zweiten Mal alles aus ihr heraus. Marsilius’ furchtbarer Besuch bei ihren Eltern, ihre Angst, was mit ihnen geschehen sein könnte, aber vor allem ihre Sorge, was Edith Henriette antun könnte. Sie biss sich auf die Finger, um nicht zu weinen. Und dann, weil ihr klar war, dass Marx ihr nicht aus Menschenfreundlichkeit helfen würde, versprach sie, dass sie ihm einen Weg in die Burg weisen würde, wenn er ihr hülfe.
    »Und wie willst du das anstellen?«, erkundigte er sich interessiert.
    »Durch den Tunnel.«
    »… den ich schon kenne und der nun leider hundertfach gesichert ist?«
    »Mir wird etwas einfallen.«
    »Ein kolossaler Plan.« Spöttisch blickte er auf sie herab.
    Das regte sie auf. »Wie bist du denn beim ersten Mal in die Burg gekommen?«, fragte sie schärfer.
    »Durch das Tor. Aber der Mann, den ich bestochen habe, ist fort, bedauerlicherweise.«
    »Mir wird etwas einfallen!«, wiederholte Sophie. Doch der Mut verließ sie. Die Leute auf der Wildenburg hassten Edith, aber sie würden sich keinesfalls gegen ihren Herrn auf die Seite ihrer entlaufenen Herrin stellen, nun, wo alles eskaliert war. Und schon gar nicht würden sie sich mit einem Werwolf einlassen. Die Burg war eine Festung, die ihnen verschlossen blieb. Sie schlang die Arme um den Körper, an dem immer noch die nassen Kleider klebten. Während sie gelaufen war, hatte sie die Kälte kaum bemerkt, doch nun begann sie zu frieren. »Ich hab sie hexen sehen«, sagte sie leise.
    »Edith?«
    »Ja. Sie … sie ist nicht nur grausam und verkommen – sie verfolgt einen Plan. Sie will mein Kind aus dem Weg haben, um ihre eigene Brut zu Macht und Ansehen zu bringen. Ihr geht es um die Herrschaft über die Wildenburg. Und die wird sie auch erlangen, wenn ich es nicht verhindere.«
    »Du willst dich also einer Hexe in den Weg stellen?«
    »Ich würde alles tun …«
    »Courage hast du jedenfalls«, sagte Marx und nahm den Arm herab.
    Sophie schlang die Arme um die Brust, als er sich vorbeugte und ihr zuflüsterte: »Tatsächlich? Wärst du zu allem bereit, um deinem Kind zu helfen?«
    Den Rest der Nacht und den folgenden Tag verbrachten sie im oberen Geschoss einer Spelunke, die von Postreitern und Söldnern bevölkert wurde – und einem Heer von Frauen, die leicht bekleidet treppauf und treppab liefen, mit den Hüften wackelten und im Vorübergehen Bärte und anderes zausten. Es kam Sophie wie schierer Wahnsinn vor, sich gerade hier zu verstecken. Aber die Männer begrüßten die Mädchen aufgeräumt, und einige folgten ihnen in dunkle Winkel. Offensichtlich kannte man sich. Gesindel eben.
    Julius lag mit grausamen Kopfschmerzen im einzigen Bett des Dachraumes. Immerhin war er nicht mehr geknebelt, nachdem er sich übergeben musste und dabei fast erstickt wäre. Sophie berichtete ihm, während sie ein nasses Tuch auf seine Schläfe drückte, von ihrer Flucht aus dem Elternhaus und was mit Henriette geschehen war, und er nickte und sagte: »Ich verstehe, dass Ihr Euch um Euer Kind sorgt. Wirklich, Sophie, ich verstehe das vollkommen. Natürlich müsst Ihr alles Menschenmögliche unternehmen, aber …«
    »Sagt mir nicht, ich soll zu Marsilius zurückkehren.«
    »Das fällt mir nicht ein, nur …« Er nahm ihr das Tuch aus der Hand und presste es gegen die andere Kopfhälfte. »Euer Mut ist bewundernswert, wenn Ihr mir diese Bemerkung gestattet. Ihr selbst seid bewundernswert!« Er blickte zu Marx, der an der Wand lehnte und durch ein Fenster die Straße beobachtete. Sophie sah den Groll in seinem Gesicht. »Man muss es aber anders angehen. Sich mit Leuten einzulassen, deren Moral gerade dazu reicht, den Weg in ein Hurenhaus zu finden, ist nicht das Richtige. Für Menschen wie Euch, für anständige Frauen, gibt es korrekte Möglichkeiten, sich zu wehren. Zum Beispiel die Gerichte. Wenn nötig,

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