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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Haut einer unschuldigen Jungfrau.«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Was weißt du überhaupt?«
    »Ich weiß, wo Marsilius die Urkunden aufbewahrt, die von besonderer Wichtigkeit sind.«
    Marx strich mit dem Daumennagel über seine Lippe. Warum sagte er nichts?
    »Irre ich mich? Ist Euch der Vertrag gleichgültig?«
    »Er sucht einen Brief, Sophie. Aber Ihr könnt versichert sein, dass der altmodisch mit Eisengallustinte beschrieben wurde«, meinte Julius verächtlich. »Und ganz sicher wurde er weder von Marx noch vom Teufel verfasst, stimmt’s?«
    »Wenn du es sagst.«
    »Was stand darin?«, bohrte Julius.
    »Schon vergessen?«, fragte Marx, »ich habe keine Ahnung.«
    »Und das glaub ich dir nicht. Der Schreiber war ein Jesuit – so viel ist gewiss. Hat es dich gewurmt zu erfahren, was Heinrich hinter deinem Rücken trieb? Dass er den Postreiter für Wallensteins Feinde abgab?«
    »Tat er das?«
    »Selbstverständlich!«
    »Julius, das ist Blödsinn. Heinrich war so intrigant wie ein Gänseblümchen. Hätte er die Seiten wechseln wollen, dann hätte er es mir mit Pauken und Trompeten verkündet.«
    »Und ist das vielleicht passiert?«
    »Ist es nicht. Heinrich war klar, welchen Wert Wallenstein für Deutschland besitzt.«
    Hitzig hielt Julius dagegen: »Und wenn er annahm, dass nicht Wallenstein, sondern die Jesuiten diesen schauerlichen Krieg beenden könnten? Wie viele Tote hat es bis jetzt gegeben? Eine halbe Million? Eine ganze? Heinrich war in Magdeburg. Er hat das Schlachten dort erlebt und gehasst. Warum sollte er sich nicht auf die Seite der Jesuiten schlagen, in der Hoffnung, dass ohne deinen astrologiesüchtigen Kriegstreiber der Frieden schneller käme?«
    Marx zog die Augenbraue hoch. »Kriegstreiber? Julius, es war Wallenstein, der den Friedensvertrag mit den Dänen geschlossen hat. Wallenstein wollte mit den Protestanten verhandeln. Er drängte sogar auf Verhandlungen mit den Schweden.«
    »O ja, Gottes Friedensengel auf Erden«, rief Julius ironisch. »Bist du blind oder willst du es nicht sehen? Dein Held ist … eine moralische Missgeburt. Er hat seinen Aufstieg mit dem Blut der eigenen Landsleute erkauft. Es waren seine Männer, die den Marktplatz abriegelten, damals, als in Prag die böhmischen Fürsten hingerichtet wurden. Er hat die Mecklenburger Herzöge aus dem Land gejagt. Er hat sich durch das Münzkonsortium bereichert, das den Kaiser und sein Volk ausplünderte. Er ist ein dreckiger Gauner, der es durch seine reiche Heirat nach oben geschafft hat und alles tun würde, um an der Macht zu bleiben.«
    »Langsam, langsam«, mischte sich Jost ins Gespräch. »Wir ham den Feind im Land, die Schweden, und Wallenstein verteidigt uns gegen sie – und das isses, worauf es ankommt. Wir sind ein deutsches Volk mit einem deutschen Kaiser und deutschem Blut in den Adern. So soll’s auch bleiben.«
    »Ihr seid so lange deutsch, bis euch die Schweden einen besseren Sold zahlen«, entgegnete Julius hitzig.
    Marx zog einen seiner Männer, der wutentbrannt aufsprang, zur Erde zurück. »Lasst ihn recht haben, wo er recht hat«, meinte er gemächlich.
    »Aber der Scheißer …«
    »Natürlich, ich weiß.« Marx beugte sich zu Julius. »Nur, um sicherzugehen, dass ich dich richtig verstanden habe: Du glaubst, ich habe Heinrich ermordet, weil er gegen Wallenstein intrigierte?«
    »Was du natürlich niemals zugeben wirst!«
    »Und der Brief?«
    »Beweist, dass Heinrich sich gegen dich auf die Seite der Jesuiten stellte. Das hast du nicht ertragen. Der Junge war dein Geschöpf. Er sollte dir gehorchen. Und als er es nicht mehr wollte, war das sein Verderben.«
    »Warum hat Marsilius, wenn das stimmte, den Brief unterschlagen?«, erkundigte sich Marx.
    »Hat er das?«
    Der blonde Mann hielt ihm die leeren Handflächen entgegen.
    »Ich habe gesehen, wie Marx in der Burg in Marsilius’ Kammer unter den Papieren etwas suchte«, warf Sophie ein.
    »Verzeiht, aber …« Julius stockte. Ein Schatten glitt über das Feuer, ein riesiger schwarzer Vogel. Er wich den Flammen mit einem Flügelschlag aus und steuerte geradewegs auf Marx zu. Marx hob abwehrend den Arm. Sophie sah, wie er nach dem Tier – einem Raben – schlug. Der Vogel fuhr ihm mit den Krallen durchs Gesicht und flatterte mit einem heiseren Krächzen in die Baumkrone hinauf. Einen Moment lang war es totenstill. Dann knallte es. Einer der Männer hatte auf den Vogel geschossen – und ihn verfehlt. Das Tier schwang sich einige Äste höher, sein

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