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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Arm in Richtung Flur zeigte,
zogen sich ihre geschwungenen Augenbrauen erzürnt zusammen. Lorenz riss in gebeugter
Haltung die Tür auf und stürzte die Treppe runter. Gott sei Dank, die Eingangshalle
war leer und die Türe zum Sitz des Sekretärs war verschlossen. Ein weiterer Schwall
halb verdauter Met stieg in ihm hoch und sein Mund füllte sich mit der ekelhaften
Flüssigkeit. Er hörte, wie Elisabeth im ersten Stock laut die Tür zustieß und ihm
irgendetwas hinterher keifte. Sein Magen krampfte sich erneut, als Lorenz aus dem
Eingangsportal herausstürzte. Sofort zog er alle Blicke auf sich, die Straßen waren
an diesem Mittag gut besucht. Schnell rannte er um das Anwesen herum und schlug
sich durch dichte und tief hängende Zweige. Tränen liefen über seine Wangen, als
er endlich einen geeigneten Platz hinter dem Haus des Bürgermeisters gefunden hatte.
Er spürte eine weitere Welle der Übelkeit in sich hochkommen. Lorenz ließ die nächsten
Sekunden über sich ergehen. Auf seinen Schuhen fingen sich die letzten Reste des
Bieres der vergangenen Stunden. Erbrochenes tröpfelte von seiner Unterlippe, im
Gemisch mit Speichel zog es spinnwebenartige Fäden. Bis zum nächsten Schwall blieb
ihm eine Sekunde zum Luftholen, danach warf ihn der Würgereiz wieder nach vorn
und Lorenz musste sich mit der Hand am Baum abstützen. Sein Magen krampfte sich
noch ein paar Mal zusammen, dann ließ das Gefühl nach und er konnte sich endlich
aufrichten und Luft holen. Er hatte sich wieder unter Kontrolle. Es blieb nur ein
Gefühl der Übelkeit und des Schmerzes.
     
    »Geht es wieder?«
    Erschrocken fuhr Lorenz herum.
    Nein! Bitte nicht!
    Aus großen Rehaugen blickte ihn Antonella besorgt an. Im Schneidersitz
saß sie auf einer Decke im Dickicht, inmitten von kleinen Flaschen und Ampullen.
    »Ja, danke … ich …«, stammelte Lorenz, immer noch außer Atem.
    »Zu viel getrunken?«, fragte sie leise.
    Lorenz wandte sein Gesicht vor Scham ab, was ein sanftes Lächeln auf
ihre Lippen zauberte.
    »Ich rieche es bis hierher.«
    Ihre Stimme war leise, fast ein wenig brüchig,
und doch klang in Lorenz’ Ohren jeder Satz wie eine Symphonie aus Worten. Im durchlässigen
Schatten der Bäume fielen vereinzelte Sonnenstrahlen auf ihr braunes, offenes Haar
und ließen es glänzen. Grazil ging sie langsam auf ihn zu.
    »Hier, das wird Euch helfen.«
    An der Innenseite seiner Hände spürte er kaltes Glas. Lorenz hob die
Phiole der Sonne entgegen und schwenkte die grünlich braune Flüssigkeit skeptisch.
    »Wasserminze und Lavendelblüten. Es wird Euch helfen, glaubt mir.«
    Was für ein erbärmliches Bild er abgeben musste.
Die Augen rot und glasig, stand er in seinem eigenen Erbrochenen, und doch schien
sie keine Scheu und keinen Ekel zu empfinden. Anscheinend fühlte sie sich hier,
inmitten der Kräuter und wilden Gewächse, in ihrem grünen Arbeitsrock und mit einfacher
Bluse wohler als in feinen Kleidern an einer gedeckten Tafel. In Gedanken versuchte
er sich Elisabeth in so einem Arbeitsrock vorzustellen. Fürwahr, gegensätzlicher
konnten Frauen nicht sein. Natürlich hatte sie nicht die an Perfektion grenzende
Schönheit ihrer Schwester, doch ging eine gewisse Magie von ihr aus, der sich Lorenz
einfach nicht entziehen konnte.
    »Danke schön«, murmelte er.
    Mit einem unmerklichen Nicken senkte sie ihren Kopf.
    Der erste Schluck war bitter, beinahe zu bitter, um es zu trinken,
doch nach wenigen Augenblicken kam das Aroma der Minze durch und er konnte den dickflüssigen
Inhalt der Phiole leeren. Die Flüssigkeit legte sich wie Balsam über seinen gereizten
Hals und beruhigte seinen Magen in wenigen Sekunden. Überrascht weiteten sich seine
Augen. Antonella blickte zu ihm hoch, der Hauch eines Lächelns lag auf ihren Lippen.
    »Woher wusstet Ihr, dass es hilft?«
    »Ich lese Bücher über Kräuterkunde.«
    Verdutzt sah Lorenz sie an. »Ihr beherrscht das
Lesen?«
    Verlegen nickte sie.
    Sein Blick fiel auf die aufgeschlagenen Bücher im niedergedrückten
Gras. Vater hielt Lesen und Rechnen für einen Zeitvertreib der Adligen. Richtige
Arbeit wird mit den Händen erledigt, sagte er immer.
    Lorenz konnte nicht sagen, ob es der Alkohol, ihre Kräutermischung
oder einfach ihre Anwesenheit war, die ihn diese Worte sprechen ließ.
    »Ihr könnt lesen und seid kräuterkundig? Welche Begabungen versteckt
Ihr noch, Antonella?«
    War das der Anflug eines Kicherns?
    Ihre Wangen erröteten, dabei faltete sie die Hände über ihrem Rock
zusammen

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