Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Wangen schienen noch eine Nuance roter zu werden. Sie
stellte sich flink auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken.
»Ich wünschte, das würdest du ab jetzt jede Nacht zu mir sagen können«,
flüsterte sie.
Lorenz lächelte. »Sehen wir uns morgen? Um die gleiche Zeit?«
Antonella legte ihre Hände um seinen Körper und ihren Kopf auf seine
Brust. Ihre Worte waren lediglich ein Hauchen. »Unbedingt.«
Nur mit großer Willenskraft konnte Lorenz ihre Hand loslassen. Sein
Blick begleitete sie noch bis in das Haus hinein. Einige Sekunden verharrte er,
verzaubert von dem Duft ihres Haars, von dem Glanz in ihren Augen, von der Berührung
ihrer Lippen.
Langsam trottete er durch die schmalen Gassen der
Stadt. Kein Mensch war mehr zugegen, kein Licht war mehr zu sehen, kein Laut drang
an seine Ohren, er war allein mit sich und seinem Glück. Ein Blick auf die Uhr,
hoch oben am Kirchturm, verriet ihm, dass es mittlerweile nach drei Uhr war. Den
letzten Rest des Weges legte er fast wippend, beinahe tanzend zurück. Erst am Haus
seiner Eltern stoppte sein ausschweifender Gang. Bedächtig schlich er sich in das
immer noch warme Gebäude. Maximilian fand er in derselben schnarchenden Position
wieder, wie er ihn verlassen hatte. Erschöpft legte er seine Kleidung ab und kuschelte
sich unter die Bettdecke. Erschöpft, aber glücklich. Erst jetzt, in einem Moment
der Ruhe, spürte er die Kälte, die sich stundenlang in seinen Körper hineingefressen
hatte, und die Müdigkeit, die mehr und mehr Besitz von ihm ergriff. Doch dies alles
war ihm gleichgültig, da er immer noch Antonellas weiche Lippen auf seinen spürte.
Kapitel 7
- Gefallene Helden -
Die Nacht war viel zu kurz, um bereits
beendet zu werden. Nur widerwillig schlug Lorenz die Augen auf und blickte in das
wache Gesicht seines Bruders. Maximilian war bereits angekleidet und gewaschen.
Er fühlte die Hand seines Bruders unnachgiebig an seiner Schulter rütteln.
»Lorenz, du musst aufstehen. Was ist denn los? Du bist doch sonst nicht
so faul.«
»Mhh«, knurrte er und zog sich die Decke über das Gesicht.
Aus der Stube vernahm er das Klirren von Besteck und helles Kinderlachen,
die ganze Familie war bereits erwacht. Der Duft von gekochtem Tee stieg ihm in die
Nase, zumindest ein Grund, die Augen erneut zu öffnen. Lorenz drehte sich gegen
die Wandseite seines Bettes und erhoffte sich zumindest noch für ein paar Sekunden
Erholung. Doch seine Hoffnung blieb ein frommer Wunsch, als Siegfried zum Sprung
ansetzte und auf dem Becken seines großen Bruders landete.
»Guten Morgen!«, quiekte er fröhlich.
Von oben blickte er auf seinen Bruder hinab und tat so, als würde er
ihn mit dem kleinen Holzschwert bedrohen.
»Steh auf, sonst bist du des Todes!«
Woher er nur diesen Spruch hatte …
»Gleich«, murmelte Lorenz. »Nur noch ein paar Minuten.«
Doch schon bald standen seine beiden Schwestern, Amelie und Marie,
neben dem Bett und zogen an seinem Arm. Gemeinsam schafften es die drei Kleinen,
ihn aufzurichten. Schlaftrunken vergrub er die Hände im Gesicht und stützte sich
auf die Knie.
»Lorenz, warum bist du so müde?«, wollte Siegfried wissen.
Er lächelte seinen kleinen Bruder an. »Kennst du das Gefühl«, sagte
er gähnend, »wenn du aufwachst und trotzdem weiterträumst?«
Der Kleine legte seinen Finger an den Mund. »Nee.«
»Das scheint mir gerade zu passieren.«
Siegfried überlegte. Seine stahlblauen Augen wanderten von einem Punkt
des Zimmers zum nächsten, schienen keine Ruhe zu finden, bevor er verstand, was
sein großer Bruder ihm gerade erzählt hatte. »Und so was macht müde?«
»Nein«, lachte Lorenz. »Aber glücklich.«
Zärtlich wuselte er Siegfried durch die langen, schwarzen Haare. Jetzt
grinste auch er.
»Nun aber raus aus den Federn, Bursche!«, forderte ihn der Vater auf,
als er die klägliche Gestalt seines Sohnes begutachtete. »Bist wohl keine harte
Arbeit mehr gewohnt, was?«
Damit war die süße Erholung des Schlafes für diesen Tag beendet und
Lorenz gesellte sich zu den anderen in die Stube.
»Ein hübsches Mädchen hat gestern nach dir gefragt. Sie war bereits
schon einmal hier«, sagte Mutter lächelnd, während er einen großen Schluck Milch
trank.
Sofort verschluckte sich Lorenz und prustete das Getränk auf den Fußboden.
Die Kleinen quiekten vor Freude. Wussten sie von Antonella?
»Es war diese Blonde, die Tochter des Bürgermeisters, soweit ich weiß.
Wollte mit dir einen
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