Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
drückte sie mit einem Ruck zurück auf die Bank.
»Herr Pfarrer, was macht Ihr … Was … was meint Ihr mit Euren Worten?«
In den Augen Tillmanns erkannte sie ein Feuer, das aus der Hölle selbst
zu kommen schien. Die pure Gier schien nun von ihm Besitz ergriffen zu haben, als
er ihr Kleid herunterriss und sich auf sie stürzte. Sie spürte die Feuchtigkeit
seiner Küsse auf ihrem Hals. Nur mit Mühe konnte sie seinen Kopf beiseite drücken.
»Bitte«, flehte sie.
Doch seine starken Hände quetschten sie nur weiter auf die Holzbank.
»Ich kann Euch helfen«, presste er hervor. »Wenn Ihr mir helft.«
Sein Kopf glitt tiefer, bis er schließlich den Ansatz ihres Busens
erreicht hatte. Ihre Handgelenke schmerzten unter seinem eisernen Griff. Heftig
warf Antonella ihren Kopf hin und her. Nur mit größter Mühe schaffte sie es, ihr
Knie anzuwinkeln und Pfarrer Tillmann mit einem kräftigen Ruck wegzustoßen. Mit
dem Rücken stürzte er gegen ein Regal, vollgestellt mit goldenen Reliquien. Einige
der Kostbarkeiten fielen scheppernd zu Boden, doch der funkelnde Blick des Geistlichen
war weiter auf Antonella gerichtet. Sein Begehren war überdeutlich zu erkennen.
»Sieh es als notwendiges Übel an!«, schrie er zornig.
Kauernd zog sie ihre Knie hoch und bedeckte Hilfe suchend ihre nackte
Haut. »Was meint Ihr damit?«
»Baier erkannte die Notwendigkeit seines Handelns. Er verstand, dass
man gelegentlich ein kleines Übel verrichten muss, um ein größeres zu beseitigen.«
Antonella schreckte hoch, mit weit aufgerissenen Augen sah sie den
Pfarrer an. Sie hörte sich zwar sprechen, doch die Worte, die ihre Lippen verließen,
schienen nicht von ihr zu stammen. »Ihr wart es! Ihr habt ihm den Auftrag gegeben.«
»Nein, GOTT war es!«, fauchte er, sich langsam auf sie zubewegend.
»Der Bürgermeister erkannte einfach nicht, dass es eine Sünde ist, sich gegen den
Allmächtigen zu stellen. Im Namen des Herrn musste er weichen!«
Antonella musste die Hände gegen die Schläfen drücken. Ihr Kopf schien
zu explodieren.
»Nein, nein …«, wimmerte sie leise. Ihr Körper schien sich nicht mehr
bewegen zu wollen. Auf einmal wandelte sich die Stimme des Pfarrers erneut, als
er den Arm ausstreckte und sie an der Schulter berühren wollte.
»Habt keine Angst, mein Kind. Es gibt immer einen Ausweg, man muss
nur das kleinere Übel wählen.«
Grinsend fasste er sie und zog sie zu sich. Der
Mond warf sein Licht jetzt hell und beinahe aufdringlich durch das kleine Fenster.
Im Kegel des Lichtes schien das Kreuz zu strahlen. Wie von Sinnen legte sich Antonellas
Hand um den dicken, goldenen Ständer des Kreuzes. Blitzschnell holte sie aus und
zog es Tillmann über den Kopf. Mit einem lauten Stöhnen fiel er zurück, bewahrte
jedoch das Gleichgewicht. Das vormals engelsgleiche Gesicht des Mannes wandelte
sich zu einer Fratze. Eine dicke Platzwunde klaffte auf seiner Stirn und ließ Blut
auf den Boden tropfen.
»Damit bist du Hexe des Teufels!«, fauchte er.
Dann schoss er auf sie los. In Panik ließ sie das Kreuz los, das polternd
zu Boden fiel. Seine peitschenden Flüche im Rücken, hetzte sie aus der Sakristei
heraus, durch die Sitzreihen hindurch und warf sich gegen die große Kirchentür.
Quietschend gab sie den Blick nach draußen preis. Voller Entsetzen schossen ihre
Blicke auf den Marktplatz. Dutzende Menschen hatten sich in kleinen Grüppchen zusammengeschlossen.
»Ein Sukkubus!«, schrie Tillmann hinter ihr. Mit großen Schritten preschte
er dem Eingangstor entgegen. »Sie wollte mich verführen!« Die Stimme des Mannes
erfüllte den gesamten Marktplatz. Antonella warf ihren Kopf nach hinten und sah
die pulsierende Ader an Tillmanns Schläfe. »Haltet die Hexe, die Gespielin des Teufels!«,
schrie er laut den Menschen entgegen.
Der Verzweiflung nahe, schoss sie in die Richtung,
in der sie am wenigsten Menschen ausmachte. Schnell raffte sie ihren Rock hoch,
rannte in die Seitengasse. Auf dem Kopfsteinpflaster riss sie sich ihre Ferse auf,
aber sie musste weiter, einfach weiter. Doch wohin sollte sie gehen? Ihr Herz pochte
bis zum Hals und dennoch betete sie still, dass dies nur ein schlimmer Traum war,
aus dem sie bald aufwachen würde. Kurz über die Schulter blickend, erkannte sie
die Meute, die sie jagte, und ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie nicht gleich
in ihrem Bett die Augen öffnen würde. Sie würde nicht zu Vater gehen und mit Elisabeth
frühstücken können. Nein, dies musste die Hölle sein.
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