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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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doch ich fühle nichts. Mein Blick gleitet weiter,
weiter hinter die Person. Meine Augen weiten sich, als wir das erblicken, was hinter
uns liegt.
    Dort ist es dunkel, es brennt, das Chaos scheint
sich an diesem Ort breitgemacht zu haben. Fett und sich labend, sitzt es dort und
wird mit jedem Augenaufschlag größer und mächtiger. Nichts Schönes scheint dort
zu existieren, dieser Ort frisst alles, sogar sich selbst.
    »Dahin willst du zurück?«
    Keine Arroganz ist aus seinen Worten zu entnehmen.
Er bewertet meine Entscheidung nicht, möchte nur wissen, warum.
    »Ich muss«, hauche ich.
    »Warum? Ist es wegen einem Mädchen?«
    Ich nicke.
    »Ich habe auch ein Mädchen«, sagt der Mann ohne
Vorwurf. »Sie ist wunderschön, hat blondes, wallendes Haar. Ihr Name ist Camille.«
    Ich wende meinen Blick von dieser Hölle ab und
schaue dem Mann direkt in die Augen. »Wo ist sie jetzt?«
    »Sie ist immer noch da«, sagt er mit einer Kopfbewegung.
    »Möchtest du nicht zu ihr?«, frage ich.
    »Natürlich, aber es liegt nicht mehr in meiner
Macht, dies zu entscheiden. Ich habe mich dazu entschlossen, die Augen zu schließen
und auf sie zu warten.« Er zögert: »Hier auf sie zu warten.«
    Ich nicke verstehend. »Und du bist sicher, dass
sie kommt?«
    »Ja«, haucht der Mann. »Sonst wäre dieser Ort
nicht das, was er ist.«
    Dann dreht er sich weg. Während ich überlege,
entfernt er sich langsam.
    »Vielleicht sollte ich hierbleiben und einfach
warten?«, rufe ich ihm nach.
    Ein helles, freundliches Lachen ertönt. Es scheint
Hunderte Male verstärkt zu werden, sodass ich mich nicht verweigern kann und mitlachen
muss. Es klingt wunderschön.
    »Ja, das wäre die bessere Entscheidung. Aber
du hast deine bereits getroffen!«
    Ich renne ihm nach, versuche den Mann einzuholen.
»Wann?«
    »Als du dich entschlossen hast, deine Augen
wieder zu öffnen.«
    Abrupt bleibe ich stehen. Noch einige Sekunden
blicke ich dem Mann hinterher, dann schreite ich auf das Chaos zu. Im letzten Moment
drehe ich mich zu der Person um, ihre Silhouette ist gerade noch zu erkennen. Ich
rufe, so laut ich kann: »Je te pardonne!«
     
    Seine Lider zitterten erst, dann gaben sie den Blick schlagartig auf
seine stahlblauen Augen frei. Jeder Knochen an seinem Körper schien zu schmerzen
und sein Kopf dröhnte. Lorenz blickte auf dunkles Holz, das notdürftig zusammengezimmert
war. Sein Blick war milchig, alles schien sich zu drehen. Keine gute Arbeit – war
der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss. Die Trockenheit seines Rachens
glich einer Wüste, die er von Erzählungen der Betrunkenen aus der Kneipe kannte.
Dann kam er zurück, der Schmerz, und ließ ihn leise stöhnen.
    »Sieh, Eduard! Er ist wach.«
    Lorenz erkannte diese weibliche Stimme nicht, sie war alt und schien
sichtlich überrascht.
    »Redet er wieder wirres Zeugs?«, grollte ihm eine tiefe Stimme entgegen.
    Dann machte Lorenz einen Schatten aus, der sich prüfend über ihn beugte.
    »Könnt Ihr sprechen, Junge?«
    Er hatte Probleme, seinen Blick zu schärfen. Er wollte sprechen, doch
die Laute, die seinen Mund verließen, hatten mit Sprache nichts gemein. Genauso
schnell, wie er gekommen war, verschwand der Schatten.
    »Nein, er ist immer noch nicht bei Sinnen, Birgit! Versuche ihn ein
wenig zu füttern.«
    Lorenz meinte diese Worte durch eine dicke Scheibe zu hören, obwohl
die beiden direkt neben ihm standen. Ruckartig setzte sich jemand auf das Bett,
bei jeder Bewegung, bei jedem Wippen hatte er das Gefühl, dass sein Kopf explodieren
müsste. Etwas schien ihn in eine schwarze Tiefe ziehen zu wollen. Einfach loszulassen
war nur allzu verführerisch. Lorenz widerstand. Nur schwerlich konnte er seine Augen
offen halten. Behutsam wurde ihm ein Löffel an den Mund gereicht.
    »Hier, esst«, war abermals die weiche Frauenstimme zu vernehmen.
    Zögerlich öffnete er schließlich den Mund. Der heiße Brei schmeckte
unglaublich gut. Mit jedem kleinen Schluck, der seinen Magen erreichte, spürte er,
wie der Schmerz nachließ und die Gedanken an ihn selbst zurückkehrten.
    »Danke schön«, röchelte er schließlich.
    Erschrocken fuhr die Frau zurück. »Eduard, er ist wach, er ist wirklich
wach.«
    Ein weiteres Mal schob sich der Schatten zwischen ihn und die Holzplanken
an der Decke. »Wie heißt Ihr, Junge?«
    Diesmal kam das Gesicht des Mannes ganz nah an seins. Der Geruch von
Alkohol und Tabak drang ihm sofort in die Nase.
    »Lorenz Cox«, stammelte er leise.
    »Herr im Himmel, ich

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