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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Panisch blickte sie in die
engen Gassen. Sie rannte so schnell, wie ihre Füße sie nur trugen, und spürte, dass
ihre Sohlen bald aufgerieben und blutig waren. Ihre Lungen schienen zu brennen,
und ihr wurde schnell klar, dass sie nicht lange so weiterlaufen können würde. Und
noch immer hörte sie das Gebrüll der Meute in ihrem Rücken. Mit letzter Kraft schleppte
sie sich zum Peterstor, das gehorsam den Weg aus der Stadt bewachte. Drohend nahmen
die Soldaten ihre Waffen in die Hände und gingen einige Schritte auf sie zu. Dann
erkannten sie die Männer, die ihr den Weg versperren wollten. Grübelnd blickten
der junge und der alte Mann mit dem Schnauzbart auf die zierliche, schwer atmende
Gestalt, die am Ende ihrer Kräfte schien.
    »Was ist los mit Euch?«, wollte der Ältere mit besorgter Stimme wissen.
    »Bitte«, schluchzte Antonella flehend. »Ihr müsst mich aus der Stadt
lassen.«
    Kurz tauschten die beiden Wachen einen Blick aus. Dann sahen sie die
Meute, die sich nun aufgeteilt hatte und trotzdem von großer Zahl war. Bedrohlich
zuckten ihre Fackeln in die Nacht hinein, und die aufpeitschenden Schreie waren
selbst bis hierhin zu hören.
    »Bitte«, wimmerte sie erneut.
    Mit einem kurzen Nicken durfte sie passieren. Dankbar sah sie die beiden
an.
    »Und … und … sagt niemandem, dass ich hier durchgekommen bin.«
    Ein weiteres Mal nickten die beiden wortlos. Schnell öffneten die Soldaten
die Durchgänge und ließen sie in die stille Nacht hinaus. Die schwere Tür fiel krachend
ins Schloss. Die ersten Ellen spurtete sie noch über die dünne Schneedecke des frostigen
Pfades. Dann ließen ihre Kräfte nach und sie konnte nur schwerlich einen Fuß vor
den anderen setzen. Mit feuchten Wangen drehte sie sich um. Die Stadt war an diesem
Abend hell erleuchtet. Von überall her schien es in den Abendhimmel zu lodern. Doch
dies war nicht ihr Weg. Sie schritt weiter auf dem dunklen Pfad, hinein in den einsamen
Wald. Erst als sie sich sicher war, dass sie niemand mehr verfolgte, erlaubte sie
sich, zusammenzubrechen. Schmerzende Schreie durchzogen die Dunkelheit, nur unterbrochen
von einem quälenden Wimmern, das niemand in dieser Nacht bemerkte.

Kapitel 11
     
    - Zurückkehren -
     
    Was für eine Schönheit, was
für eine Stille, was für eine Pracht! Ich genieße es, an nichts denken zu müssen.
Mein Körper scheint umgeben von Licht und Zufriedenheit. Wahrlich, ich kann mir
keinen schöneren Ort vorstellen. Ich mache nur einen Schritt nach vorn und schon
scheint alles um mich herum zu tanzen. Meine Augen können sich nicht mehr schließen,
sie wollen keine Sekunde des Lichterspiels um mich herum versäumen. Dieser Ort ist
von Magie und Zauberei durchzogen, überall wabert es mir entgegen, das Glück und
die Freude durchfließen meinen Körper, sie scheinen allgegenwärtig zu sein. Und
doch …
     
    … und doch bleibt dort dieser Gedanke. Nicht mehr als ein Hauch, eine
Berührung, ein flüchtiger Augenblick, der nicht weichen will. Hineingefressen hat
er sich, irgendwo in mir. Zu tief, als dass ich es überhören könnte, zu stark, als
dass ich ihn vergessen könnte, und zu kräftig, als dass ich den Ort, an dem ich
mich befinde, genießen könnte. Ich spüre, dass hier etwas nicht stimmt, obwohl alles
perfekt und makellos ist. Ich spüre, dass ich noch etwas tun muss, obwohl ich alles
erledigt habe. Ich spüre, dass ich hier nicht bleiben will, obwohl ich hierhin gehöre.
Irgendetwas lässt mich umblicken. Umgeben von Licht, sehe ich eine Gestalt. Nicht
böse und nicht gut, weder empfinde ich Angst noch Freude, die Figur ist einfach
nur da und schreitet auf mich zu. Erst erkenne ich sein Gesicht nicht.
    »Bonjour«, sagt er.
    Dann fällt es mir wieder ein. Ich kenne diesen
Mann. Zumindest sind wir uns einmal begegnet. Es muss Ewigkeiten her sein.
    »Guten Tag«, antworte ich.
    Wortlos sehen wir uns an. Es könnten Sekunden,
aber auch Jahre gewesen sein.
    »Warum möchtest du zurück?«, will der Mann wissen.
    Die Worte aus seinem Mund klingen wie eine fremde
Sprache, an welche ich mich nicht entsinnen kann. Doch ich verstehe jedes Wort,
das seine Lippen verlässt.
    »Ich weiß es nicht.« Ich bemerke, wie ich mit
den Achseln zucke. Meine Stimme klingt leise, aber ehrlich.
    »Es ist wirklich schade, dass du nicht hierbleiben
kannst. Immerhin waren wir beide im Krieg, haben Menschen getötet und trotzdem dürfen
wir hier sein.«
    Eigentlich sollte mich nun Trauer erfassen,
dass ich diesen Ort verlassen werde,

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