Die Hexe von Freiburg (German Edition)
ihren Umhang und lief los. Sie wäre gern allein geblieben auf ihrem Weg nach Lehen, doch der Torwächter, der sie mittlerweile gut kannte, hielt sie auf.
«Nach allem, was in letzter Zeit passiert ist, könnt Ihr nicht allein gehen. Euer Mann würde mir den Kopf abschlagen, wenn Euch etwas zustoßen würde. Wartet, einer von den Stadtwachen wird Euch begleiten.»
Catharina kam zu spät. Wenige Minuten zuvor war Sofie im Beisein ihrer Familie gestorben. Christoph saß weinend am Bett und hielt ihre Hand. Er sah Catharina nicht einmal an, als sie eintrat. Neben ihm stand Sofies Vater mit seinen Enkeln. Catharina hatte davon gehört, dass Carl vor einigen Tagen aus geschäftlichen Gründen nach Freiburg gekommen war, gerade rechtzeitig, um die letzten Stunden bei seiner Tochter verbringen zu können.
In stummer Verzweiflung verabschiedete sich Catharina von der Toten. Sie war zu spät gekommen, und sie war selbst schuld daran. Jetzt bekam sie die Rechnung für alles, was sie in den letzten Jahren falsch gemacht hatte.
Nachdem sie Sofie auf die eingefallenen Wangen geküsst hatte, verließ sie leise das Zimmer. Christoph machte keine Anstalten, sie aufzuhalten. Unten im Hof wartete der Wächter und brachte sie in die Stadt zurück.
Am nächsten Morgen blieb sie im Bett. Fieber und heftige Kopfschmerzen quälten sie. Als am Nachmittag ein Bote einen Brief brachte, erkannte Catharina sofort Christophs Handschrift.
«Liebe Catharina, nach allem, was in letzter Zeit Schreckliches geschehen ist, brauche ich jetzt Zeit zum Nachdenken. Ich weiß nicht, was schlimmer für mich ist: der Tod von Mutter und Sofie oder die Enttäuschung darüber, dass ich dich in Sofies Sterbestunde, als nicht nur Sofie, sondern auch ich dich dringend gebraucht hätten, in den Armen eines anderen Mannes gefunden habe. Sicher, ich war mit Sofie verheiratet und habe immer versucht, ihr ein guter Mann zu sein, aber ich hätte nie eine andere Frau als dich lieben können. Du scheinst diese Schwierigkeiten nicht zu kennen, du scheinst einen Mann einfach gegen einen anderen austauschen zu können. Ich werde das wohl nie verstehen. Darum bitte ich dich, nicht zu Sofies Beerdigung zu kommen. Du würdest mich nicht trösten können – im Gegenteil: Mein Schmerz wäre nur noch größer. Vernichte diesen Brief, wenn du ihn gelesen hast, damit er nicht in die Hände deines Mannes oder deines Geliebten fällt. Immer noch in Liebe, dein Christoph.»
Traurig und wütend zugleich ließ Catharina das Blatt sinken. Christoph hatte nichts begriffen, überhaupt nichts. Sie wollte den Brief schon zerreißen, als sie sah, dass auf der Rückseite noch etwas stand.
«Sobald hier alles geregelt ist, werde ich mit den Kindern nach Villingen ziehen und Carls Gasthof übernehmen. Ich habe mit meinem Schwiegervater bereits alles besprochen. Ich werde die Pacht des Lehener Gasthauses zurückgeben, denn es hält mich hier nichts mehr. Versuch bitte nicht, mich umzustimmen – ich brauche den Abstand zu dir. Es gibt noch etwas, das ich dir zum Abschied sagen möchte: Ich weiß, dass wir eines fernen Tages für immer zusammen sein werden. Es ist wie eine Vision. Vergiss mich nicht, Christoph.»
Zu Catharinas großem Erstaunen ging das Leben einfach weiter. Sie hatte erwartet, dass sie nach all diesen furchtbaren Ereignissen für immer an Körper und Seele erkranken würde, aber etwas in ihr war stärker und zwang sie wieder auf die Beine. Sie leitete den Haushalt, führte die Ausgabenbücher weiter und erstellte auf Michaels Wunsch hin ein Inventar aller Wertgegenstände. Hinzu kam, dass seit seiner Wahl in den Stadtrat immer häufiger Gäste zum Essen kamen, angesehene Freiburger Bürger und Ratsherren, und sie hatte alle Hände voll zu tun, mit Barbaras und Elsbeths Hilfe eine angemessene Speisenfolge auf den Tisch zu bringen. Inzwischen mangelte es im Hause Bantzer an nichts mehr, denn dank seiner Tätigkeit im Magistrat hatte Michael seine Geschäftsverbindungen beträchtlich ausweiten können und zog einen gewinnbringenden Auftrag nach dem anderen an Land.
Waren die Gäste erst einmal da, langweilte sich Catharina mit diesen Leuten und musste sich Mühe geben, es nicht offen zu zeigen. Manchmal wurden sie von ihren Gattinnen begleitet, mit denen Catharina noch weniger anfangen konnte: Aufgeplusterte Hennen waren das zumeist, die nichts anderes im Kopf hatten, als mit dem Geld und dem Ansehen ihrer Männer zu protzen.
Einmal, als es um die Besprechung eines
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