Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Barbara. «Wollt Ihr uns zwei alte Frauen denn mitnehmen? Wer weiß, wie lange wir noch arbeiten können. Wir werden jetzt schon immer schwerfälliger.»
Catharina war beinahe empört. «Habt ihr etwa gedacht, dass ich euch auszahle und auf die Straße setze? Ihr arbeitet einfach, soviel ihr könnt, der neue Haushalt ist ja viel kleiner. Wir teilen die Arbeit neu auf.»
Der einzige Wermutstropfen war Siferlin. Sie hatte tatsächlich entdeckt, dass er regelmäßig kleinere Summen unterschlagen und sich dadurch, wahrscheinlich seit Jahren, sein Einkommen eigenhändig aufgestockt hatte. Es war nicht ganz einfach herauszufinden, wo Siferlin inzwischen wohnte, und erst bei ihrem dritten Besuch traf sie ihn zu Hause an.
Ihr Herz schlug heftiger, vor Aufregung und vor Wut, als sie ihm die Auftragsbücher und Abrechnungen auf den Tisch warf.
«Was haltet Ihr davon, wenn ich das der Zunft vorlege?»
Siferlin lächelte. «Ich wusste, dass Ihr eines Tages hier auftauchen würdet.»
Er setzte sich in einen Lehnstuhl, schlug die dürren Beine übereinander und bohrte sich umständlich in der Nase.
«Ihr seid ein Betrüger!» Catharina hatte Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren.
«Und Bantzer war ein Geizhals.»
«Mehr fällt Euch nicht dazu ein? Wenn ich diese Unterschlagungen der Zunft melde, kommt Ihr vor Gericht!»
«Ihr werdet gar nichts melden, denn sonst sage ich aus, dass Ihr jahrelang für Benedikt Hofer die Beine breit gemacht habt. Und was dann mit Euch geschieht, könnt Ihr Euch selbst ausdenken.»
Catharina erstarrte. Siferlin erpresste sie. Wortlos nahm sie ihre Unterlagen an sich und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um.
«Ich hoffe, dass wir uns nie wiedersehen.»
«Mag sein, dass wir uns nicht mehr sehen, doch Ihr werdet noch von mir hören.»
Sie beschloss, niemandem etwas von diesem Gespräch zu erzählen. Mochte dieser Hund doch an seiner Gier und seiner Bosheit ersticken – sie jedenfalls wollte ein neues Leben anfangen.
Rechtzeitig zum Umzug kam Christoph für zwei Tage nach Freiburg. Anfangs hatte Catharina neben den Küchenutensilien nur das Notwendigste mitnehmen wollen, doch auf Barbaras Zureden hin suchten sie gemeinsam die schönsten Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände aus. Nun türmten sich in der Essstube die Kisten, Bündel und Möbel bis zur Decke, und sie warteten auf Berthold, der Lastträger und Ochsenkarren mieten wollte.
«Seht einmal, wen ich Euch mitgebracht habe.»
Gut gelaunt schob Berthold Christoph durch die Tür. Mit den beiden Lastträgern waren sie nun zu siebt, und bis zum Abend hatten sie alles in das neue Haus hinübergeschafft.
«Ich denke, ans Auspacken machen wir uns morgen», sagte Catharina zu den beiden Mägden und ließ sich erschöpft, aber glücklich auf dem Rand einer offenen Kiste nieder. Christoph, der neben ihr stand, bückte sich und zog eine kleine geschnitzte Flöte aus den Sachen.
«Du hast sie also aufgehoben.» Er wirkte gerührt. Dann gab er Catharina vor aller Augen einen Kuss.
«Kommt jetzt.» Berthold klatschte in die Hände. «Mechtild wartet sicher schon mit dem Essen auf uns.»
Auf dem Weg in die Schenke fragte Christoph Catharina, ob sie schon einmal daran gedacht habe, eines der Zimmer zu vermieten.
«Das Haus hat doch drei Schlafkammern: eine für dich, eine für die beiden Mägde, und eine wäre noch frei.»
«Wie ich dich kenne, hast du auch schon einen Mieter im Kopf.»
Christoph nickte. «Er heißt Anselm und ist ein Vetter von Sofie. Seit letztem Herbst studiert er an der Freiburger Universität. Er wohnt in einem jämmerlichen Verschlag in der Pfauenburse, da seine Eltern nicht viel für sein Studium ausgeben können. Da habe ich an dich gedacht. Außer Kostgeld kann er zwar nichts bezahlen, aber er könnte ja Botengänge erledigen oder beim Bierbrauen helfen.»
«Ach, Christoph, eigentlich bin ich im Augenblick ganz froh, keinen Mann im Haus zu haben.»
Christoph lachte. «Anselm ist doch kein Mann! Er ist ein lieber Kerl, aber noch ein richtiger Kindskopf. Und wenn er noch so sehr versuchen würde, dir den Kopf zu verdrehen: Auf ihn könnte nicht einmal ich eifersüchtig werden. Wenn du einverstanden bist, werden wir uns morgen mit ihm treffen.»
So quartierte sich also eine Woche später der Student Anselm im Haus zur guten Stund ein. Mit seinen roten Locken, die in flammendem Kontrast zu seiner knöchellangen mausgrauen Scholarenkutte standen, den neugierigen smaragdgrünen Augen und seinen
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