Die Hexe von Freiburg (German Edition)
liebenswürdigen Grübchen in den breiten Wangen verzauberte er nicht nur Catharina. Barbara und Elsbeth wetteiferten darum, bei ihm Mutterstelle einnehmen zu dürfen, und bald schien es, als gehörte er seit Jahren zu ihrem Haushalt.
Es dauerte nicht lange, und der neue Alltag spielte sich ein. Als Erste, in aller Herrgottsfrühe, stand Elsbeth auf, heizte ein und bereitete für Anselm eine Schüssel warmer Milch mit eingebrocktem Brot vor. Schlaftrunken löffelte der Junge die Suppe aus und machte sich auf den Weg zu seinen Vorlesungen oder in die Bibliothek. Catharina und Barbara, die etwas später in der Küche erschienen, bekamen ihn morgens meist gar nicht zu Gesicht. Während Elsbeth die Schlafkammern aufräumte und Barbara sich in der Küche zu schaffen machte, fütterte Catharina ihre Hühner und Kaninchen. Sie genoss diese Minuten allein in der kalten Morgenluft, umringt von ihrem hungrigen Kleinvieh, und fühlte sich wie eine Königin in einem unermesslich großen Reich.
Dann ging sie hinüber ins Sudhaus. In den ersten Wochen kam Berthold fast täglich für ein, zwei Stunden vorbei, um sie in die Kunst der Bierherstellung einzuführen. Geduldig erklärte er ihr, wie man aus gereinigter Braugerste Malz herstellt und worauf sie beim Maischen und bei der Gärung zu achten hatte.
Als es so weit war und Catharina ihr erstes selbst gebrautes Bier abfüllte und in die Küche brachte, saßen Barbara, Elsbeth und Anselm schon erwartungsvoll um den Tisch. Sie schenkte die Becher voll.
«Dann zum Wohl.»
Beherzt nahmen alle einen tiefen Schluck. Catharina sah in die Runde: Anselm grinste, Barbara starrte mit zusammengekniffenem Mund in die trübe braune Brühe, und Elsbeth murmelte so etwas wie: «Na ja, fürs erste Mal –»
Catharina seufzte.
«Nein, ihr braucht nicht auszutrinken. Ich gebe zu, es schmeckt wie Eselspisse.»
Dann nahm sie den Krug und schüttete das Bier in den Ausguss.
Doch schon eine Woche später brachte sie Berthold das erste Fässchen. Die Herstellung des Gerstensafts wurde schnell Routine, und sie begann sich an Geschmacksstoffe wie Lorbeer, Pilze und Kräuter zu wagen. Abends, wenn Anselm von der Universität heimkehrte, belud er den Handkarren mit zwei Fässern und lieferte eines beim «Storchen», das andere im Schneckenwirtshaus ab. Dort blieb er meist noch auf ein, zwei Becher Wein sitzen. Barbara schimpfte dann, wenn er zu spät zum Abendessen kam.
«Ihr fallt sowieso schon vom Fleisch, da könnt Ihr nicht einfach die Mahlzeiten ausfallen lassen.»
In Wirklichkeit war es seine Gesellschaft, an der ihr so viel lag, denn Anselm brachte Leben ins Haus. Er besaß das ungebändigte Wesen eines Fohlens, und alles, was ihm durch den Kopf ging, sprudelte ohne Hemmungen aus ihm heraus.
«Ihr glaubt nicht, wie heilfroh ich bin, aus dieser Burse herausgekommen zu sein», hatte er an einem der ersten Abende nach seinem Einzug gestöhnt. «Dort bin ich als Neuling nämlich kein Mensch, nicht mal ein Student, sondern nur ein lausiger Pennäler, der den älteren Semestern als Famulus dienen muss. Wisst ihr, was das bedeutet, von früh bis spät von diesen Laffen herumkommandiert zu werden? Da kann es sein, dass sie dich mitten in der Nacht wecken und du ihren verschissenen Pinkelpott auf die Straße leeren und anschließend mit der bloßen Hand säubern sollst. Oder dass sie dir das bisschen Sackgeld, das du von zu Hause bekommst, abnehmen, wenn sie es finden. Ach, ich könnte euch noch mehr erzählen, aber das ist nichts für Frauenohren.»
«Mein Ärmster», murmelte Barbara, und man konnte ihr die Enttäuschung darüber ansehen, dass er keine weiteren Beispiele aufführte.
«Könnt Ihr», fragte Elsbeth ihn, «Euch denn nicht bei Euern Lehrern oder bei der Universitätsleitung beschweren? Solche Ungerechtigkeiten müssen doch verhindert werden.»
Anselm lachte. «Aber das gehört doch seit Urzeiten dazu! Es gibt nur die eine goldene Regel, dass der Studienanfänger keinen dauerhaften Schaden davontragen soll. Und nach einem Jahr hat man es ja hinter sich: Man muss nur noch die Taufe in der Jauchegrube überstehen, dann gehört man zu den Älteren.»
«Und jetzt lassen Euch die anderen in Ruhe?», fragte Barbara besorgt.
«Mehr oder weniger. Da gibt es halt viel Neid auf Leute wie mich, die bei Verwandten oder bei Professoren wohnen dürfen. Neulich haben mir welche auf der Straße ‹Muttersöhnchen› nachgerufen, und dann kam es zu einer Prügelei, denn so was kann ich mir
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