Die Hexe von Freiburg (German Edition)
dieselbe. Sie war unzweifelhaft älter geworden. Ihre mädchenhafte Schönheit, die den Burschen im Dorf den Kopf verdreht hatte, war einer reifen, mütterlichen Weiblichkeit gewichen. Auch wirkte sie gelassener, doch das, was Catharina an ihrer Freundin immer am meisten geschätzt hatte, war geblieben: ihre Wärme und ihr offenes Wesen.
«Ja, Cathi, schau mich nur an. Ich bin ein altes Weib geworden, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber ich sage euch, das hat auch Vorteile. Die Leute begegnen einem respektvoller, und der eigene Mann lässt einen nachts ein bisschen mehr in Ruhe.»
«Wo wir schon bei diesem Thema sind –» Christoph räusperte sich. «Es ist mir egal, wo wir uns schlafen legen, aber ich beantrage einen Schlafplatz mit Cathi zusammen, auch wenn deine Marthe-Marie Einspruch erhebt.»
«Dann habt Ihr Euch also endlich gefunden.» Lene lachte. «Wurde ja höchste Zeit. Doch um ehrlich zu sein, lieber Bruder, hättest du dir deinen Antrag eben sparen können, schließlich habe ich Augen im Kopf. Sag mal, hast du nicht morgen früh etwas in der Stadt zu erledigen?»
«Ja, wieso?»
«Gut, dann geh ohne Cathi und lass sie bei mir. Ich möchte mich nämlich in Ruhe mit ihr unterhalten. Und nimm doch die Kinder auch gleich mit, schließlich kennst du dich in Konstanz nicht aus.»
In dieser Nacht war Catharina zerrissen zwischen dem Bedürfnis, Christoph über ihre Tochter aufzuklären, und dem Begehren, mit ihm zu schlafen. Ihre Lust aufeinander siegte und ließ sie kaum Schlaf finden. Bleich und übermüdet machte sich Christoph am nächsten Morgen mit den Kindern auf den Weg zum Kontor des Gewürzhändlers Stöckli, um anschließend am Hafen einen Kahn ausfindig zu machen, der sie rheinabwärts mitnehmen würde.
Als die beiden Frauen allein beim Morgenmahl saßen, sprachen sie zum ersten Mal offen über Marthe-Marie. Catharina erfuhr, dass es auch für Lene nicht immer leicht gewesen war, vor dem Mädchen ihre Herkunft zu verschweigen, und wie schwer es Raimund im ersten Jahr fiel, Marthe-Marie an Kindes statt anzunehmen.
«Aber dann wurde er ihr ein großartiger Vater. Ich habe manchmal den Eindruck, er hat längst vergessen, dass sie nicht seine Tochter ist. Wenn seine Freunde sagen, wie hübsch Marthe-Marie sei und dass sie mit ihren schwarzen Haaren ganz nach ihm komme, dann schwillt er förmlich an vor Vaterstolz.»
In allen Einzelheiten beantwortete sie Catharinas Fragen, erzählte, wie gut sich die beiden Mädchen verstanden und wie blitzgescheit Marthe-Marie sei – sie könne jetzt schon besser schreiben und lesen als die Erwachsenen. Catharina merkte, wie sie nach und nach akzeptieren konnte, dass Marthe-Marie Teil dieser Familie war.
«Du wirst sie sicher wieder sehen wollen, jetzt, wo ihr euch kennen gelernt habt.»
Catharina nickte.
«Möchtest du, dass Marthe-Marie die Wahrheit erfährt?»
«Nein.» Catharinas Antwort kam ohne Zögern. «Sie ist glücklich bei euch. Es mag seltsam klingen, aber ich trage sie jetzt in meinem Herzen als meine Tochter, und doch kann ich sie bei dir lassen. Denn du bist ihre Mutter.»
In diesem Moment brachte Gritli, Lenes Hausmädchen, einen Krug eiskalten Biers herein, und Lene nutzte die Unterbrechung, um ihre Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken.
«Warum ziehst du nicht nach Villingen? Du musst dich ja nicht gleich in Carls Gasthof breit machen, wenn er, wie Christoph mir geschrieben hat, in eine Heirat nicht einwilligt. Aber ihr könntet ein kleines Häuschen anmieten und euch treffen, wann immer ihr wollt. Glaub mir, Christoph meint es ernst mit dir, fürchterlich ernst.»
«Dasselbe hat mir Christoph letzte Nacht auch vorgeschlagen.»
«Und? Hast du dich entschieden?»
«Wenn ich an den nächsten Winter denke, klingt es verlockend, aber es geht nicht. Ich möchte mit Christoph zusammenleben, ohne mich verstecken zu müssen. Ich will klare Verhältnisse, und solange die nicht gegeben sind, möchte ich meine neue Unabhängigkeit nicht aufgeben.»
Sie versuchte, Lene begreiflich zu machen, wie wohl sie sich in ihrem neuen Haus fühlte, mit ihren beiden Frauen, mit Anselm, ja selbst mit ihrer täglichen Arbeit im Sudhaus.
«Mein Gott, Cathi, wie sehr musst du in deiner Ehe gelitten haben. Und wie ich dich kenne, hast du dich in deinen Briefen, was Michael Bantzer betrifft, noch sehr zurückgehalten.»
Als sie Genaueres über diese Zeit wissen wollte, merkte Catharina, wie schwer es ihr immer noch fiel, über bestimmte Dinge
Weitere Kostenlose Bücher