Die Hexe von Freiburg (German Edition)
nach Kindern, von ihrem Verhältnis zu Benedikt und dessen Bedeutung für sie damals, und wie sie es nicht übers Herz gebracht hatte, das Ungeborene zu töten. Christoph hörte ihr schweigend zu, und als sie geendet hatte, zog er sie heftig an sich, ohne etwas zu sagen. Sie spürte, wie er zitterte. Fast hatte sie das Gefühl, ihn trösten zu müssen.
«Es ist gut so, Christoph. Jetzt ist alles gut.»
Sie saßen dicht gedrängt mit drei anderen Reisenden unter einem schmalen Vordach, das mehr schlecht als recht den Regen abhielt. Es ging eine stetige Brise von Osten, die das Wasser zu kleinen Schaumkronen aufwühlte und sie zügig durch den Untersee trieb. Diesmal war das Nordufer des Sees nicht zu sehen, und Catharina hatte das Gefühl, am Rande eines unendlichen Meers zu segeln. Das ständige Schwanken des Kahns verursachte ihr Übelkeit, Feuchtigkeit und Kälte krochen ihr in die Glieder. Sie presste sich noch enger an Christoph.
Kurz hinter Stein, wo das Segel eingeholt wurde, riss der Himmel auf, und die Sonne brachte die feuchten Planen, die die Waren schützten, zum Dampfen. Das heftige Schaukeln hatte aufgehört, in einem sanften Auf und Ab ließ sich der Kahn von der Strömung des Rheins mitführen. Weinberge, Wälder und Viehweiden glitten an ihnen vorüber wie Bilderbögen. Das Leben kann schön sein, dachte sie und sah Christoph an. Als er ihren Blick aus seinen tiefblauen Augen erwiderte, gestand sie sich endlich ein, wie unendlich sie diesen Mann liebte.
Acht Tage waren sie unterwegs gewesen, als sie auf dem letzten Stück ihrer Strecke Zeugen eines Ereignisses wurden, das einen hässlichen Schatten auf ihre Reise warf. Nachdem sie in glühender Mittagshitze zu Fuß die Südflanke des Kaiserstuhls erreicht hatten, hielt ein Kaufmann mit seinem Pferdekarren und überließ ihnen die leere Ladefläche. Da tauchte wie aus dem Nichts eine Gruppe von sieben oder acht dunkelhäutigen Kindern auf, barfuß und in Lumpen gehüllt, die Mädchen mit bunten Kopftüchern. Keines von ihnen war älter als zehn Jahre. Bettelnd liefen sie neben dem Wagen her und streckten ihnen ihre schmutzigen Hände entgegen.
«Zigeunerpack», rief der Kaufmann und schlug nach dem Erstbesten mit der Peitsche. Nicht einen Moment lang hatte Catharina Angst gehabt vor dieser armseligen Horde. Umso furchtbarer traf sie das Entsetzen bei dem, was in den nächsten Minuten geschah. Ein schlaksiger Junge, offensichtlich der Anführer, hängte sich in die Zügel und versuchte das Pferd zum Stehen zu bringen. Bedächtig, ohne jede Gefühlsregung, zog der Kaufmann unter einer Wolldecke eine schwere Streitaxt hervor und schleuderte sie gegen die Brust des Jungen. Erschrocken bäumte sich das Pferd auf. Mit einem Ausdruck tiefsten Erstaunens auf seinem kindlichen Gesicht sah der Junge Catharina an, dann sackte er auf die Knie und kippte hintenüber. Die Axt steckte bis zum Schaft in seinem gespaltenen Brustkorb.
Mit Peitschenhieben trieb der Kaufmann sein Pferd in scharfen Galopp, sodass der Karren in den Kurven gefährlich schwankte. Catharina klammerte sich am Wagenrand fest. Als das Pferd endlich wieder in Schritt fiel, bat sie den Kaufmann anzuhalten.
«Ich bleibe keinen Augenblick länger auf diesem Karren», flüsterte sie Christoph zu.
«Ist Euch nicht gut?», fragte der Kaufmann, als Catharina mit weichen Knien vom Wagen kletterte. «Zugegeben, das war kein schöner Anblick. Aber diese Zigeuner sind wie Ungeziefer, je weniger es davon auf der Welt gibt, desto besser.»
Christoph, der inzwischen auch abgestiegen war, sagte so ruhig es ihm möglich war: «Ihr seid ein Mörder, und dafür gehört Ihr aufgehängt.»
«Ihr könnt mich doch kreuzweise!», fluchte der Kaufmann und fuhr in einer Staubwolke davon.
Bedrückt gingen sie den restlichen Weg zu Fuß weiter. Als sie an einem Bildstock mit der Muttergottes vorbeikamen, kniete Catharina nieder und betete für den Zigeunerjungen. Christoph tat es ihr gleich.
Am späten Nachmittag erreichten sie Lehen und schlugen, ohne sich abzusprechen, den Weg zum Kirchhof von St. Cyriak ein. Einige Male schon waren sie gemeinsam an Marthes Grabstein gestanden, doch so schwermütig wie heute war Catharina noch nie zumute gewesen.
Ohne Eile kehrten sie danach nach Freiburg zurück. Als sie in die Schiffsgasse einbogen, seufzte Catharina.
«Wir sind wieder zu Hause – ich zumindest.»
Dann stutzte sie. Die Tür, die ins Sudhaus führte, war mit zwei dicken Brettern zugenagelt und mit dem
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