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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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verschwunden. Seine leise Stimme war selten zu hören, seine Frau schien ihm ständig ins Wort zu fallen. Catharina starrte an die Decke, die im Schein des Kerzenleuchters flackerte. Wieso setzte sich ihr Vater gegen diese raffgierige, herrschsüchtige Frau nicht zur Wehr?
    «Es tut mir Leid», flüsterte Lene, als sie sich später neben Catharina auf die Strohmatte legte. «Ich weiß, wie sehr du dich auf diesen Abend gefreut hast, und jetzt haben wir alles verdorben.»
    Hiltrud bekamen sie auch am nächsten Morgen nicht zu sehen. Hieronymus war grau im Gesicht und sah müde aus.
    «Marthe, Cathi», er zögerte einen Moment, «es fällt mir schwer, es euch zu sagen – Hiltrud möchte euch hier im Haus nicht mehr sehen.»
    Er drehte ihnen den Rücken zu.
    Marthe legte den Arm um ihn. «Vielleicht renkt sich alles wieder ein. Wir lassen euch jetzt erst einmal allein.»
    Sobald sie in Lehen angekommen waren, setzte sich Catharina auf ihr Bett und faltete das Schaffell auseinander, das ihr Vater ihr zum Abschied geschenkt hatte. Darin eingewickelt fand sie ein Blatt Papier mit der ungelenken Handschrift des Vaters und das vertraute Bildnis ihrer Mutter. Ihre Hände bebten, als sie den weichen lächelnden Mund und den liebevollen Blick dieser Frau betrachtete. Dann nahm sie den Brief zur Hand.
    «Ich hoffe, ich habe dir in den Jahren bei mir so viel geben können, wie ein Vater seiner Tochter geben kann. Ich werde dich weiterhin lieben, wie ich außer dir nur deine Mutter geliebt habe. Aber ich bin alt geworden und fühle mich am Ende meiner Kraft. Bitte verzeih mir», waren die Worte ihres Vaters.
    Sie weinte stundenlang, weinte die seit vielen Monaten unterdrückten Tränen.

    Marthe hatte Unrecht gehabt: Nichts renkte sich mehr ein. Seit jenem unseligen Streit an Weihnachten hatte keiner von ihnen mehr den Fuß in Hieronymus’ Haus gesetzt. Sooft es der Vater ermöglichen konnte, kam er sonntags nach Lehen heraus, auch bei Eis und Schnee. Allen fiel auf, wie schnell er plötzlich alterte. Sein Rücken war krumm geworden, seine Stimme leise, und gesundheitlich ging es ihm zunehmend schlechter.
    Catharina fand sich damit ab, dass sie eine neue Familie gefunden hatte, und schaffte es manchmal sogar, ihren Vater aufzuheitern.
    Einmal belauschte sie Marthe und ihren Vater in der Küche.
    «Ich weiß, Hieronymus, dass du dich am Anfang von Hiltruds Äußerem hast blenden lassen. Aber warum trennst du dich jetzt nicht von ihr?»
    «Wie soll das gehen, ich arbeite doch im Dienst der Kirche! Weder bestiehlt sie mich, noch verweigert sie die ehelichen Pflichten. Die ich übrigens schon lange nicht mehr in Anspruch nehme», setzte er bitter hinzu.
    Die langen Winterabende gaben ihnen viel Zeit, in der Küche am Herdfeuer zu sitzen. Wenn die Mädchen mit ihrem Flick- und Strickzeug, die Jungen mit irgendwelchem Werkzeug, das auszubessern war, Platz genommen hatten, begann die Stunde des Geschichtenerzählens. Marthe besaß die gleiche Begabung dafür wie Catharinas Vater. Mit dem Unterschied, dass ihre Geschichten nicht von fernen Ländern und berühmten Menschen handelten, sondern aus der Gegend stammten.
    «Als ich gerade mal laufen konnte und Cathis Vater ein richtig unausstehlicher Bub war», begann sie eines Abends und nahm ihr Flickzeug auf, «da brachen hier in der Gegend die ersten Aufstände der Bauern aus. Hieronymus und ich können uns natürlich nicht an diese Zeit erinnern, aber unsere Großmutter Agnes, eure Urgroßmutter, die haben wir noch ganz gut in Erinnerung. Heute erzähle ich euch, wie sie beinah einmal zum Tode verurteilt worden wäre», sagte Marthe und steckte eine neue Kerze an.
    Die aufständischen Bauern hatten im Frühjahr jenes Jahres die Stadt Freiburg von allen Seiten umstellt und belagerten sie. Ihre Führer waren zäh und verlangten nichts weniger als die Kapitulation der Stadt. Im Mai wurden die Verhandlungen vonseiten der Obrigkeit abgebrochen, und die Aufständischen erstürmten die Burg und beschossen die Stadt von oben. Die Bürger waren in Angst und Schrecken versetzt, sodass eiligst ein Waffenstillstand vereinbart und zum Schein ein Abkommen mit den Bauern getroffen wurde. Dies war natürlich ein Hinterhalt. Die Aufständischen wurden besiegt, ihre Führer noch auf Jahre hinaus verfolgt und erbarmungslos verurteilt. Irgendwann wurde auch Agnes vor Gericht geladen.
    «Unsere Großmutter hatte nämlich während der Belagerung der Stadt nichts Besseres zu tun gehabt, als den Rebellen als

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