Die Hexe von Freiburg (German Edition)
schien – wenn er doch die Zeit anhalten könnte.
«So viel Mut hätte ich niemals aufgebracht. Er hätte dich erschlagen können.»
«Es war wohl eher dumm von mir», gab er zurück und betrachtete ihre schmalen Handgelenke.
In diesem Moment sackten der Heißlerin die Knie ein, und sie fiel der Länge nach auf die Seite. Ohne sich weiter um Christophs Wunde zu kümmern, rannten sie zu ihr hinüber. Der Rock der Bäuerin war nass.
«Ich hätte es wissen müssen», flüsterte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. «Ich hatte schon den ganzen Morgen immer wieder Wehen. Schnell, helft mir zurück ins Haus.»
Nach wenigen Metern jedoch stieß die Frau einen Schrei aus und krümmte sich. Vor Schmerzen konnte sie kaum noch sprechen.
«Es hat keinen Zweck. Das Fruchtwasser ist schon abgegangen, das Kind kommt gleich. Holt den Schäfer von der Hasenweide.»
Catharina rannte los.
Vorsichtig legte Christoph die Frau ins Gras. Er hatte nicht weniger Angst als die beiden Mädchen, die leise zu schluchzen begannen. Was, wenn die Bäuerin vor ihren Augen starb? Er legte seinen Rock unter den Kopf der Frau und strich ihr mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Ächzend zog die Frau ihre Beine an und packte Christophs Arm.
Die Wehen wurden heftiger und kamen in immer kürzeren Abständen. Christophs Arm begann zu brennen, so fest griff die Frau jedesmal zu. O Gott, wo blieb nur der Schäfer so lange? Nach einem besonders heftigen Krampf ließ die Bäuerin seinen Arm plötzlich los und sank in sich zusammen. Ganz still war sie auf einmal. Atmete sie überhaupt noch? Christoph klopfte das Herz bis zum Halse.
In diesem Moment tauchte ein Maultier mit zwei Reitern auf. Der Schäfer sprang ab, kniete sich neben sie und fühlte ihren Puls. Die Frau stöhnte und öffnete die Augen.
«Es wird schon, Heißlerin», sagte der Schäfer und bat Christoph, sich hinter die Frau auf den Boden zu knien, damit sie sich anlehnen konnte. Dann breitete er seinen Umhang unter das Becken der Frau, kniete sich vor ihre gespreizten Beine und schob ihren Rock hoch. Mit einem Ruck zerriss er ihr Leibchen. Dann ging alles ganz schnell. Mit einem tiefen kehligen Schrei presste sich die Frau gegen Christoph. Er wagte es nicht, der Gebärenden über die Schultern zu sehen, doch an Catharinas Gesichtsausdruck erkannte er, dass sich das Kind zeigte. Eine letzte heftige Wehe, ein glitschendes Geräusch. Verschmiert und blau angelaufen lag ein kleiner Junge zwischen den Rockschößen der Frau. Catharina standen Tränen in den Augen.
«In meinem Beutel dort drüben findest du ein sauberes Tuch und eine Wasserflasche», wandte sich der Schäfer an sie. «Mach einen Zipfel des Tuches nass.»
Der Schäfer reinigte das winzige Gesicht von Blut und Schleim. In diesem Moment fing der Säugling mit dünner Stimme an zu schreien.
«Ist er verletzt? Er hat ja überall Blut.» Christoph war zu Tode erschrocken.
Der Schäfer lachte. «Der Kleine ist kerngesund.»
Dann legte er das Kind der erschöpften Heißlerin in die Arme. Ein leises Schmatzen war zu hören, nachdem der Säugling die Brust gefunden hatte. Christoph holte tief Atem und streckte die schmerzenden Beine aus. Noch ganz benommen von den Ereignissen betrachtete er das kleine Wesen, das während des Trinkens seine winzigen Fäuste öffnete und wieder schloss.
«So, Heißlerin.» Der Schäfer durchtrennte mit einem schnellen Schnitt seines Messers die bläulich schimmernde Nabelschnur. »Jetzt noch die Nachgeburt, und du hast es wieder mal geschafft.»
Während sie auf die Wehen warteten, schimpfte der Schäfer auf alle Grundherren, die ihre hochschwangeren Mägde und Abhängigen aufs Feld schickten.
«Was meint ihr, wie oft ich im Jahresverlauf zu einer Geburt gerufen werde. Und nicht immer läuft es so gut ab wie heute.»
Aber die Bäuerin lächelte. «Komm doch heute Abend bei uns vorbei, Schäfer, damit du mit meinem Mann deinen Lohn aushandeln kannst.»
Als er eine abwehrende Handbewegung machte, fügte sie hinzu: «Dann bring wenigstens deinen Umhang zum Waschen vorbei.»
«Ach, lass gut sein.» Er riss das Tuch, mit dem er das Neugeborene abgewischt hatte, entzwei und reichte ihr die trockene Hälfte. «Wickel den Kleinen nachher gut ein.»
Dann packte er seine Sachen zusammen und ritt mit einem kurzen Gruß davon.
«Sollen wir dich nach Hause bringen?», fragte Christoph die Heißlerin.
«Ich möchte noch etwas ausruhen, und danach tun mir ein paar Schritte ganz gut. Meine Älteste
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