Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Die Geräusche von draußen klangen gedämpft.
Sie sprang aus dem Bett und lief zum Fenster. Im Licht der Morgendämmerung schimmerte der Schnee violett.
«Lene, es hat geschneit!» Sie rüttelte Lene an der Schulter.
«Na und? Das kommt vor im Winter.» Unwillig verkroch sich Lene noch tiefer unter der Decke.
In der Küche saßen Marthe und Christoph beim Morgenmahl. Christoph füllte ihr einen Teller mit heißer Milchsuppe.
«Hilfst du mir beim Schneeschippen?»
«Gern.»
Die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, trat sie aus dem Haus. Es war eiskalt, und der Schnee knirschte trocken unter ihren Schritten. Wie konnte in einer Nacht nur so viel Schnee fallen!
Als die Sonne über den Schwarzwald stieg, wurde das fahle Blau des Himmels kräftiger, und die weiße Landschaft begann zu glitzern. Nachdem sie den Hof freigeschaufelt hatten, lachte Christoph sie an.
«Die roten Wangen stehen dir gut. Du siehst richtig hübsch aus.»
Sie wandte ihr Gesicht ab. Seit einiger Zeit machten seine Bemerkungen sie sofort verlegen.
Da trat eine vermummte Gestalt durch das Hoftor. Zu ihrem Erstaunen erkannte sie ihren Vater.
«Guten Morgen, ihr beiden.» Er klopfte sich den Schnee von den Stiefeln. «Kommt ihr mit hinein? Ich habe etwas zu besprechen.»
Gemeinsam gingen sie zu Marthe in die Küche. Hieronymus holte tief Luft.
«Hiltrud und ich sind übereingekommen, dass wir euch für Heiligabend einladen möchten.» Er warf einen Seitenblick auf Catharina. «Johann will in Straßburg bleiben, und so könnten wir gemütlich feiern und wären alle mal wieder beisammen.»
Catharina fragte sich, wie viel Überredungskunst ihn Hiltruds Einwilligung wohl gekostet haben mochte.
«Das ist schön, Hieronymus.» Marthe strich sich die Schürze glatt. «Aber ich muss die Wirtschaft führen, wir können es uns an so einem Tag nicht leisten, zu schließen.»
«Geh du nur, Mutter», sagte Christoph. «Ich übernehme das schon.»
Als Catharina ihren Vater zur Tür brachte, griff Hieronymus nach ihrer Hand und hielt sie so fest, dass es schmerzte.
«Cathi, glaub mir bitte, ich habe das so nicht gewollt. Du darfst nicht meinen, dass ich dich aus deinem Elternhaus verstoßen habe. Oft denke ich, dass deine Mutter traurig wäre, wenn sie das alles wüsste.»
Catharina nickte nur und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Das hätte er sich früher überlegen können.
Sie hatten sich festlich herausgeputzt. Die Tante trug ein hochgeschlossenes Kleid aus grauem Tuch mit einer kleinen weißen Krause um den Hals, die Haare unter einer bestickten Haube verborgen, und die beiden Mädchen dunkelgrüne Kattunkleider und Kopftücher. Die Zwillinge Wilhelm und Carl hatten sich zu diesem Anlass sogar das struppige Haar schneiden lassen.
Zur Begrüßung schenkte ihnen der Vater heißen Rotwein ein. Nachdem Hiltrud endlich erschienen war – «Samt aus Flandern», erklärte sie, als sie ihr neues Kleid vorführte –, zogen sie bei einbrechender Dunkelheit zum Münsterplatz, um die Messe zu besuchen. Vor dem Hauptportal drängte sich im Schein der Pechfackeln eine dichte Menschenmenge.
Catharina entdeckte ihre alte Lehrerin, die sie herzlich begrüßte.
«Cathi, mit dir habe ich eine meiner begabtesten Schülerinnen verloren.» Sie sah sich schnell um und fügte leiser hinzu: «Hier in der Stadt geht das Gerücht, dass deine Stiefmutter deinem Vater das Geld aus der Tasche zieht und ihn in den Ruin treibt. Schau sie dir nur an, wie sie angezogen ist, und für deinen Unterricht hatte sie keinen Pfennig übrig.» Die Molerin schüttelte empört den Kopf. «Aber was soll man machen, es gibt einfach Weibsbilder, die verdrehen den besten Männern den Kopf. Ich fürchte, die Zeiten sind vorbei, in denen gestandene Frauen selbst für ihr Leben aufkommen. Versprich mir, dass du eines Tages deinen Töchtern Lesen und Schreiben beibringst.»
Bevor Catharina etwas erwidern konnte, setzten sich die Umstehenden in Bewegung, und sie verabschiedeten sich eilig.
Catharina war jedes Mal gefesselt von der erhabenen Größe und Schönheit des Münsters. Sie verstand nicht viel von dem, was vor sich ging, sondern ließ sich einhüllen vom Geruch nach Weihrauch und altem Gestein, den lateinischen Worten des Bischofs und dem monotonen Gesang der Gemeinde.
Jetzt, im flackernden Licht der unzähligen Kerzen, wirkten die hohen, düsteren Mauern des Münsters fast bedrohlich, doch bei Tageslicht, wenn die Sonne durch die bunten Fenster schien und der
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