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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Sandstein rosa schimmerte, konnte sie sich nicht satt sehen an den unzähligen Figuren und Bildern.
    Stunden um Stunden hatte sie als Kind damit verbracht, diesen Bildnissen ihre Geheimnisse zu entlocken und die Geschichten, die sie erzählten, weiterzuspinnen. Da gab es am Pfeiler des Querhauses eine Skulptur, die ein Rudel zähnefletschender Wölfe beim Schulbesuch zeigte. Einer der Wölfe hielt Feder und Buch in den Pfoten, ein anderer bekam vom Schulmeister einen kräftigen Rutenstreich übergezogen. Catharina wusste, dass sich hinter diesem mächtigen Stein der Zugang zu einem unterirdischen Gang verbarg, der zum Burgberg hinaufführte. Das erzählten sich jedenfalls die Kinder und Dienstmägde.
    Dann die kunstvollen Glasmalereien, die von den Zünften gestiftet waren und Szenen aus ihrer Arbeit oder Darstellungen der Heilsgeschichte zeigten. Das Fenster der Schmiedezunft über dem Nordportal hatte sie besonders ins Herz geschlossen: Im Stall zu Bethlehem zappelte das Jesuskind lachend in der Luft, von Ochs und Esel an seiner Windel hochgezogen. Maria reckte die Hände nach ihrem Sohn, Joseph haute den Tieren mit einem Stab auf die Mäuler. Um wie viel lieber war Catharina dieses Bild als die vielen grausamen Darstellungen der Leiden Christi. Sie blickte hinüber zu ihrem Vater und dachte daran, dass es immer sein größter Wunsch gewesen war, ein Bildnis für dieses Gotteshaus anzufertigen.
    Als sie nach der Messe heimkehrten, hatte die Köchin, die eigens für diesen Abend eingestellt worden war, schon den Tisch gedeckt. Sie waren alle durchgefroren, obwohl der Weg zum Münster nicht weit war, und wärmten sich am Kachelofen. Auch eine Neuerung, die Hiltrud durchgesetzt hatte, dachte Catharina nicht ohne Bitterkeit. Marthe und ihr Vater indessen strahlten, froh darüber, endlich wieder zusammen zu sein.
    Sie ließen es sich schmecken, so ein Festessen kam nicht alle Tage auf den Tisch: Saukopf und Lendenbraten in saurer Soße gab es, danach Hecht in Sülze, und ein verführerischer Duft kündigte Käsekuchen als Nachtisch an.
    Es hätte ein wunderbarer Abend werden können, wäre nicht die Sprache auf Johann gekommen. Marthe hatte ihren Bruder gefragt, wieso der Junge zu Weihnachten nicht nach Hause gekommen sei. An Hieronymus’ Stelle antwortete Hiltrud.
    «Mein Sohn ist sehr beschäftigt. Er hat große Pläne als Händler, nur leider werden ihm in Straßburg von allen Seiten Knüppel zwischen die Beine geworfen.»
    «Und leider trinkt er zu viel», entfuhr es Hieronymus.
    Hiltrud warf ihm einen bösen Blick zu.
    Marthe hakte nach: «Stimmt es, dass er aus diesem Grund aus der Lateinschule geworfen wurde?»
    «Der Junge ist begabter als andere, das haben ihm seine Mitschüler geneidet», antwortete Hiltrud bissig. «Die hatten doch nichts anderes im Sinn, als ihn vom Lernen abzuhalten, und haben ihn deshalb von einer Schenke zur nächsten geschleift.»
    «Er wird sich nicht allzu sehr dagegen gewehrt haben», sagte Lene und wischte sich die fettigen Finger an ihrer Schürze ab.
    Das war eine Bemerkung zu viel. Wütend fauchte Hiltrud ihre Schwägerin an: «Du solltest deine Kinder besser im Zaum halten. Deine Tochter hat ein reichlich freches Mundwerk. Aber ich habe längst gemerkt, dass ihr glaubt, was Besseres zu sein mit eurem protzigen Gasthaus da draußen. Uns Handwerkerfamilien geht es immer schlechter, während ihr euren Nutzen daraus schlagen könnt, dass die Leute bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fressen und saufen werden. Da könnt ihr euch leicht das Maul zerreißen, wenn ein strebsamer Bürger für seine Söhne etwas Besseres will.»
    Beim letzten Satz sprang sie auf, wobei ihr Trinkgefäß aus edlem Noppenglas zu Boden fiel und zersprang.
    «Und Kultur habt ihr auch keine, ihr sitzt ja mit euren Hühnern und Schweinen am Tisch und esst aus Kürbisschalen», rief sie mit Blick auf die Glasscherben und rannte in ihre Schlafkammer.
    Der Vater stand seufzend auf und ging ihr nach.
    Die festliche Stimmung war zerstört. Als die Köchin den letzten Gang auftrug, hatte bis auf die Jungen niemand mehr Appetit.
    Lene murrte. «Am liebsten würde ich jetzt nach Hause gehen. Aber die Stadttore sind wahrscheinlich längst geschlossen.»
    Catharina kehrte das zerbrochene Glas zusammen und wischte den Rotwein vom Boden. Sie war überrascht, dass Marthe ihrer Tochter keine Vorwürfe machte. Aber schließlich war ja auch ihre Stiefmutter beleidigend geworden und nicht Lene.
    Der Vater blieb in der Schlafkammer

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