Die Hexe von Freiburg (German Edition)
unbegründet. Ohne nachsehen zu müssen, wusste sie, dass die beiden zusammen in einem Bett lagen. Aber das beunruhigte sie nicht, denn sie vertraute darauf, dass die Kinder – und Kinder waren die beiden in ihren Augen – vernünftig blieben. Was sie nicht schlafen ließ, war ihr schlechtes Gewissen: Den eigentlichen Grund, warum sie Christoph ausgerechnet nach Villingen schickte, hatte sie verschwiegen. Carl, der Vetter ihres zweiten Mannes, hatte nämlich eine Tochter in Christophs Alter, knapp siebzehn Jahre alt, hübsch anzusehen, fleißig und bescheiden. Mutter hoffte auf eine Verbindung zwischen den beiden. Ich weiß, dass sie Catharina wie ihre eigene Tochter liebte, aber gerade deshalb kam für sie eine Ehe mit Christoph nicht infrage. «Wenn Verwandte Kinder bekommen», sagte sie immer, «führt das zu Krankheit und schlechtem Blut.» Und dass das Ganze nur eine kurze Kinderliebe war, darauf wollte sie sich nicht verlassen.
«Wie schäbig waren meine Pläne, die beiden auseinander zu bringen», sagte sie mir später einmal. Doch was war das gegen meinen Verrat – ohne mich wäre ihr die heimliche Liebe zwischen den beiden vielleicht nie aufgefallen.
7
Der Abschied von Christoph war schrecklich. Am Morgen, als sie aufwachte, lag er mit geröteten Augen neben ihr. Als er merkte, dass sie wach war, küsste er sie ungestüm und schlich dann in seine Kammer, um sich fertig zu machen. Dann ging alles ganz schnell. Der Händler saß schon in der Gaststube und wartete ungeduldig, denn es hieß, oben im Schwarzwald habe es zum ersten Mal geschneit. Lene, die längst auf war, packte noch schnell ein großes Vesper zusammen, dann versammelten sich alle um den Pferdekarren. Auch vom Dorf waren etliche Leute gekommen, um den Wirtssohn zu verabschieden.
Hastig warf Christoph sein Bündel auf den Wagen, reichte allen die Hand und umarmte seine Mutter und Lene. Dann wandte er sich Catharina zu. Sie sahen sich an und schwiegen. Catharina hätte ihm so viel sagen mögen, brachte aber kein Wort heraus. Vor aller Augen küsste er sie schließlich auf den Mund und stieg auf.
Catharina lief in ihre Kammer und warf sich aufs Bett. Bildete sie es sich ein, oder war die Decke noch warm von Christophs Körper, verströmte noch seinen Geruch? Als von der Straße her die Abschiedsrufe lauter wurden, presste sie sich die Hände gegen die Ohren. Sie stellte sich vor, nie wieder aufzustehen. Nie wieder würde sie essen, arbeiten oder lachen können.
Aber seltsamerweise holte der Alltag sie wieder ein. Marthe und Lene waren sehr liebevoll mit ihr. Doch manchmal schienen die Tage nicht enden zu wollen, denn jetzt im Winter gab es weniger Arbeit und weniger Abwechslung. Wenn Marthe nach Einbruch der Dunkelheit zu erzählen begann, hörte Catharina kaum zu, denn ihre Gedanken waren bei Christoph. Einmal kaufte sie sich für teures Geld ein paar Bogen Papier und schrieb einen langen Brief an ihn. Da aber um diese Jahreszeit ohnehin niemand in den Schwarzwald hinauffuhr, zerriss sie die Blätter am nächsten Tag wieder.
Was sich in diesen öden Wochen jedoch ereignete, war, dass Lene sich verliebte. Ausgerechnet in diesen ungeschlachten Nachbarsburschen Schorsch.
«Was findest du bloß an diesem Kerl?», fragte Catharina ihre Base.
«Wieso? Er sieht doch nicht schlecht aus. Außerdem ist er der einzige Junge im Dorf, der nicht den Mund hält, wenn er anderer Meinung ist als ich. Das gefällt mir.»
Marthe durfte davon selbstredend nichts erfahren, und so war Catharina damit beschäftigt, Lene bei ihren Verabredungen Rückendeckung zu geben. Abends im Bett bekam sie dann ausführlich zu hören, was sich Neues ergeben hatte. Catharina war zwar nicht sonderlich interessiert daran, aber es lenkte sie von ihren eigenen Grübeleien ab.
Anfang des neuen Jahres teilte Marthe den beiden Mädchen mit, dass Christoph an Ostern zum ersten Mal ein paar Tage freihabe und nach Hause kommen würde. Lene tanzte vor Freude in der Küche herum, und Catharina fragte ungeduldig:
«Dann hast du also Nachricht bekommen. Wie geht es ihm?»
«Ich denke, er hat sich ganz gut eingelebt. Carl würde ihn am liebsten ganz bei sich behalten, aber das geht natürlich nicht. Wir brauchen ihn ja über die Festtage hier bei uns.»
Ich brauche ihn bei mir, dachte Catharina. Plötzlich überdeckte ein wagemutiger Gedanke ihre Freude auf das Wiedersehen: Wenn Christoph nicht bei ihr leben durfte, dann konnte sie doch ebenso gut bei ihm leben.
An diesem Abend
Weitere Kostenlose Bücher