Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Schnarchen riss sie aus ihren Gedanken. Michael war tatsächlich eingeschlafen. Vorsichtig zog sie ihm die Schuhe aus und legte sich neben ihn. Als sie die gemeinsame Decke über sich zog, wälzte er sich auf die Seite und drehte ihr den Rücken zu. In ihre anfängliche Erleichterung über Michaels tiefen Schlaf mischte sich ein leiser Hauch von Enttäuschung.
13
Ihr Kopf schmerzte, als sie erwachte. Hätte sie nur nicht so viel getrunken, wo sie Alkohol nicht gewohnt war. Widerwillig öffnete sie die Augen. Die Bettseite neben ihr war leer. Wie spät mochte es sein? Die Schlafkammer musste nach Norden oder Westen hinausgehen, denn trotz des wolkenlosen Himmels, den sie durch das kleine Fenster sehen konnte, herrschte noch düsteres Licht im Raum. Sie ließ sich wieder in die Kissen fallen. Nur langsam kamen ihre Gedanken in Schwung, und wie aus milchigem Morgennebel tauchten Bilder des vergangenen Tages auf: der letzte Moment in ihrer leer geräumten Kammer am Holzmarkt, die ausgelassene Menschenmenge vor der Kirche, der betrunkene Priester, der schnarchend im Lehnstuhl lag, johlende Männer, die sie ins Schlafzimmer begleiteten, und dann plötzlich ein gestochen scharfes Bild: Christoph, der sie mit hastigen Zärtlichkeiten bestürmte. Sie schüttelte den Kopf und sprang auf. Nein, sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das sich in Tagträumen verlor. Wo war Michael? Fast kam ein wenig Schadenfreude in ihr auf, dass dieser vermeintliche Stier von einem Mann seine Hochzeitsnacht verschlafen hatte.
Nachdem sie sich gewaschen und angezogen hatte, ging sie in den Esssaal, wo ein üppiges Frühstücksmahl mit frischem Weißbrot, Käse und Obst auf sie wartete. Vor ihrem Gedeck stand eine Vase aus Rauchglas mit einem Strauß roter Rosen. Gertrud, das Hausmädchen, brachte ihr warme Milch.
«Der gnädige Herr lässt Ihnen ausrichten, dass er in der Werkstatt ist. Wenn Ihr fertig seid, werde ich ihn holen.»
Catharina nickte und ließ es sich schmecken. Freundlich schien die Sonne durch die drei Fenster, die die ganze Längsseite des Raums einnahmen. Sie gingen zur Straße hinaus, leise konnte man Stimmen und das Rumpeln der Wagen auf der Großen Gasse hören. Dieser Raum war ganz offensichtlich zum Repräsentieren gedacht, so kunstvoll, wie er eingerichtet war. In der Ecke sorgte ein lindgrüner Kachelofen im Winter für Wärme. Die mächtigen Deckenbalken waren mit Blattwerk bemalt, die Wände von oben bis unten holzgetäfelt, der Fußboden mit rötlich schimmernden Tonfliesen bedeckt. Wie leicht musste so ein Boden zu pflegen sein. Wenn sie da an die Dielenbretter der Gasträume in Lehen dachte, in deren Ritzen sich immer Schmutz und Essensreste festsetzten! Ganz abgesehen von den Estrichböden in den anderen Zimmern, die kaum sauber zu halten waren. Sie wollte gerade das Geschirr zusammenräumen, als Gertrud sie aufhielt.
«Lasst nur, lasst, ich mache das schon.»
Dies war keineswegs freundlich gemeint, und Catharina betrachtete erstaunt Gertruds zusammengekniffene Mundwinkel. Da sah sie Michael im Türrahmen stehen. Etwas verlegen kam er auf sie zu und küsste sie.
«Ich dachte, ich lass dich noch etwas schlafen», sagte er, und etwas leiser, mit einem Seitenblick auf die Magd, die das Geschirr hinaustrug: «Du musst dich daran gewöhnen, dass du hier Herrin bist.»
Catharina zuckte die Schultern. «Soll ich denn jetzt den ganzen Tag herumsitzen?»
«Kannst du es nicht einfach genießen, dein neues Leben als meine Ehefrau?»
Sie konnte sich nicht verkneifen, wegen der vergangenen Nacht zu sticheln. «In unserer Hochzeitsnacht hast du mir jedenfalls nicht viel Gelegenheit zum Genießen gegeben.»
Sie spürte seinen Unwillen.
«Gütiger Gott», brummte er. «Bist du etwa bisher nicht auf deine Kosten gekommen?»
War sie das? Versöhnlich nahm sie seine Hand.
«Sei nicht böse, es war nicht so gemeint. Zeigst du mir jetzt das Haus?»
Bisher hatte sie nur einen Bruchteil des Bantzer’schen Anwesens kennen gelernt, und sie kam aus dem Staunen über den Platz und die Bequemlichkeit des Hauses nicht mehr heraus. Im Erdgeschoss befanden sich gleich neben dem Durchgang zum Hof ein Lager- und ein Verkaufsraum. Durch den Verkaufsraum gelangte man in eine Art Kontor, ein winziges Zimmer, das voll gestopft war mit Papieren und schweren Büchern. Am Stehpult stand ein hagerer, etwas krumm gewachsener Mann mittleren Alters, dem die strähnigen Haare fettig ins Gesicht hingen.
«Das ist Hartmann Siferlin», stellte
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